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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0236
Neues Schrifttum

Kriegsausbruch beschäftigen, bieten auf jeweils etwa 600 Seiten die Tag für Tag in diesen 21 Jahren
abgelaufenen Ereignisse in Politik, Wirtschaft und Kultur. Der immense Arbeitsaufwand, der in diesen
Bänden steckt, läßt sich nicht hoch genug einschätzen.

Den besonderen Reiz dieser Chroniken macht vor allem die Einbeziehung der kulturellen Ereignisse
aus. Hier gelingt den Autoren etwas von der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen< zu vermitteln, das bei
der Aufzählung der politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen leider häufig zu kurz kommt. Neben
den Haupt- und Staatsaktionen lief nicht selten das alltägliche Leben weiter. Dafür nur zwei von vielen
Beispielen. Am 9. November 1918 dankte der deutsche Kaiser ab, Reichskanzler Max von Baden trat
zurück, der Sozialdemokrat Friedrich Eben übernahm sein Amt und Philipp Scheidemann rief die Republik
aus. Am selben Tag fand in Köln die Uraufführung eines Theaterstücks mit stark monarchistischer Tendenz
statt, der Ullstein-Verlag gab eine neue Faksimile-Ausgabe des Gemäldes »Hindenburg und Ludendorff«
von Prof. Vogel heraus und von Johanna Spyris Heidi-Büchern erschien das 450. Tausend. Am frühen
Morgen des 1. September 1939 eröffnete Hitler nach dem fingierten Überfall auf den deutschen Sender
Gleiwitz mit dem Angriff auf Polen den Zweiten Weltkrieg. Am Abend dieses weltbewegenden Tages fand
in Wien die Uraufführung des Films »Die fremde Frau« statt, die nach einem Abenteuer- und Frauenroman
gedreht worden war. Diese fast beliebig fortzusetzenden Beispiele weisen, neben den in dieser Form bisher
nicht vorliegenden Informationen über die politische und wirtschaftliche Entwicklung dieser Jahre, vor
allem auf die verschiedenen Lebenswelten einer Gesellschaft, die, wenn überhaupt, häufig zu ganz
verschiedenen Zeiten von den in Handbüchern im allgemeinen nachzulesenden >großen< Ereignissen
erreicht wurden und werden. Auch deshalb reizt es immer wieder, die Entwicklung in einer besonders
ereignisreichen Woche, in der häufig über die reine Aufzählung der Fakten hinausgegangen wird, einmal in
Ruhe nachzulesen.

Über die Informationsauswahl, die auch bei so umfangreichen Chroniken getroffen werden muß, läßt
sich kaum streiten. Einige zusätzliche Informationen, z. B. aus dem kirchlichen Bereich, hätte man sich
allerdings doch gewünscht. So fanden die beiden wichtigen Stellungnahmen der Fuldaer Bischofskonferenz
zum Nationalsozialismus, in denen sie sich am 17. August 1932 scharf gegen die NSDAP aussprach und
diesen Beschluß am 28. März 1933 mit gewissen Einschränkungen wieder aufhob, ebensowenig eine
Berücksichtigung, wie die Eingliederung des Evang. Jugendwerks in die HJ am 20. 12. 1933. Völlig
daneben ging der Text zum 14. September 1930. An diesem Tag fanden weder in Preußen noch in Bayern
oder Württemberg Landtagswahlen statt, und mit angeblich 15 Mandaten hätte die SPD in Württemberg
bei 80 Landtagssitzen nicht knapp die absolute Mehrheit verpassen können. Diese und einige weitere
kleinere Mängel schmälern den Ertrag der beiden Bände jedoch nur unwesentlich. Ihre Beseitigung wäre
allerdings bei einer eventuellen Neuauflage zu wünschen. Ebenso würde sich der Benutzer neben dem sehr
hilfreichen Personen- zumindest noch ein Orts- und wenn möglich ein Sachregister wünschen, weil diese
eine noch bessere Ausnützung der großen Menge der verarbeiteten Informationen ermöglichen könnten.

Gundelfingen Thomas Schnabel

Werner Stephan: Acht Jahrzehnte erlebtes Deutschland. Ein Liberaler in vier Epochen. Düsseldorf: Droste
Verlag 1983.

Der 1895 in Altona geborene Werner Stephan beschreibt in dem vorliegenden Buch seinen außergewöhnlichen
Lebenslauf. Nach Abitur und einigen Semestern als schlagender Student in Tübingen wurde er
im Ersten Weltkrieg königlich preußischer Offizier. Nach über einjähriger Kriegsgefangenschaft in
England kehrte Stephan am Jahreswechsel 1919/20 nach Deutschland zurück. Hier arbeitete er zunächst als
Journalist und betätigte sich als Anhänger von Friedrich Naumann in der neugegründeten linksliberalen
Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Bereits 1920 begann er als Parteisekretär der Bremer DDP zu
arbeiten, bevor ihm im August 1922 Anton Erkelenz, der Vorsitzende des Vorstandes der Linksliberalen,
die Stelle des Reichsgeschäftsführers der Gesamtpartei in Berlin anbot, die Stephan bis 1929 behielt. Danach
trat er in die Presseabteilung der Reichsregierung ein, nachdem eine politische Karriere gescheitert war.
Dort erlebte er auch den Regierungsantritt Hitlers. Entgegen seinen Erwartungen übernahm ihn Goebbels
in das neugeschaffene Reichspropagandaministerium, wo er bis 1945 in leitender Stellung verblieb. Nach
dem Zusammenbruch halfen ihm Freunde aus der Weimarer Republik und 1953 kehrte er mit dem Eintritt
in die FDP endgültig wieder in das politische Leben zurück. Vor allem Theodor Heuss, mit dem er seit den

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