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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0044
Otto Werner

das ich erwarb oder erwerben werde, sei es an Immobilien oder an Mobilien. All dieser Besitz,
selbst mein Mantel auf meinen Schultern, soll gewährleisten oder verbürgen, daß deine
K[etubba], Mitgift und Zugabe bezahlt werde bei meinem Leben und nach meinem Tode, vom
heutigen Tage an bis in alle Ewigkeit.<

Die Gewährleistung für Morgengabe, Mitgift und Zugabe übernahm N. der Bräutigam
gemäß strengen Vorschriften der K[etubba] und der Zusatz-Urkunden, wie sie bei den
Töchtern Israels gebräuchlich sind, und nach den Anordnungen unserer Weisen, nicht etwa als
bloßes Versprechen oder als Urkundenformular.

All dies ist erklärt worden von Seiten des Bräutigams N., Sohn des M., für A., Tochter des B.,
in Bezug auf alles oben Geschriebene und Erklärte, um es rechtskräftig zu erwerben. Wir (die
Zeugen) haben vom BräutigamN., Sohn desM. für die BrautA., Tochter desB., die Jungfrau,
mittels eines Kleidungsstückes, welches zum Kinjan [= Erwerbsakt] geeignet ist, rechtskräftig
die vorstehenden Rechte erworben.<
Alles ist fest und rechtsgültig.

Unterschrift: ... Sohn des Zeuge ... Sohn des Zeuge.«

Die Eheschließung selbst bestand zu jener Zeit in der Übergabe von Kessef (Geld), einem
symbolischen Brautpreis, der durch die Übergabe des Brautrings erfolgte. Aus dem Vertragsbrief
erfahren wir, daß die Braut Henlin von ihrem Bräutigam Karle einen Ring im Wert von
einundzwanzig Gulden geschenkt bekam. Diesen Ring steckte Karle ihr vor Zeugen an den
Zeigefinger der rechten Hand mit den Worten: »Mit diesem Ring bist du mir anvertraut nach
dem Gesetz Mose und Israel«4. Die religiöse Zeremonie fand unter der Chuppa5 statt. Die
Verlesung der Ketubba war Teil der Eheschließungszeremonie.

Henlins Vater schenkte der Kalle, der Braut, zur Hochzeit ain girtl, damit sy nach Judischem
gebrauch vermähellt worden, im Wert von sechzig Gulden, außerdem einen Gürtel im Wert von
achtzig Gulden. Zwanzig Gulden wurden ihr von Freunden geschenkt, wofür sie ain stuckh
golld, ain Portugaleser6 genannt, eintauschte.

Karle Schweickhart hielt mit Henlin sieben Freudentage, die sieben Tage des Festmahles. Er
verrichtete keine Arbeit und machte keine öffentlichen Geschäfte, sondern aß und trank und
freute sich mit ihr7.

Karle Schweickhart und Henlin hatten eine Tochter8. Sie wurde von Henlin jüdisch erzogen
und verheiratete sich mit Raphael, dem Sohn des Rabbi9 David zu Sulzberg. Die Zeitspanne des
Zusammenlebens von Karle Schweickhart und der Jüdin Henlin kennen wir nicht näher. Wir
wissen nur, daß Karle während dieser Zeit einmal sehr schwer krank war und Henlin ihn treu
pflegte, weshalb er ihr obendrein dreihundert Gulden zum voraus ausgeschafft und nach
jüdischer Ordnung verbrieft hatte. Schließlich kam es zur Zerrüttung der Ehe; aus den Gründen
erfahren wir, daß es wegen Ihr baider Religion, Auch Ir Henlin Judin zugebrachten Heyrat-
gutts, Widerlegung, morgengab, ausgeschafften gellts, Klaider, Klaineter10 vnnd Anders, was
darynnen berurt, zu Zwietracht, Spennn, Irrung und Uneinigkeit gekommen war.

Im Heiratsvertrag war vorsorglich festgelegt worden, daß Karle Schweickhart, wenn es zu
Zwiespalt zwischen den Eheleuten kommen sollte, Allso das sie bey Ime Ir wonung nit mer
Haben kündte oder dörffte, ihr während dieser Zeit monatlich 15 Gulden zu geben schuldig

4 Vgl. S. Ph. Vries, Jüdische Riten und Symbole. Wiesbaden 1981, S. 222 ff.

5 Hochzeitsbaldachin.

6 Portugaleser = Münzsorte.

7 Vgl. Rabbi Schelomo Ganzfried, Kizzur Schulchan Aruch. Ins Deutsche übertragen von Rabbiner
Selig Bamberger. Band II. Basel 1978, S.872.

8 Die Möglichkeit, daß diese Tochter aus Karle Schweickharts voriger Ehe stamme, ist sehr unwahrscheinlich
.

9 Titel. Wörtlich übersetzt: mein Meister, mein Lehrer.

10 Kleinode, Schmucksachen der verschiedensten Art.

11 Streitigkeiten, Zerwürfnis.

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