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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0057
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

/. Rabbiner
Allgemeines

Die antiken Rabbinen hatten als solche kein Amt in den Gemeinden, es sei denn als ernannte
Richter. Ihre Autorität beruhte auf Gelehrsamkeit und persönlichem Vorbild. Bis weit ins
Mittelalter hinein waren Rabbiner nicht Angestellte von Gemeinden, sondern freie Lehrer und
Privatgelehrte, die ein Lehrhaus führten und daneben ihren Lebensunterhalt möglichst durch
einen praktischen Beruf bestritten. Erst im späteren Mittelalter entstand in Europa das Amt des
hauptberuflichen Rabbiners trotz erheblicher Bedenken, da es seit alters her verpönt war, die
Toragelehrsamkeit zu Verdienstzwecken einzusetzen. Oft wurden Rabbiner von staatlicher
Seite besoldet. Regionale nichtjüdische Herrscher versuchten manchmal, durch Ernennung von
Rabbinern mit weitreichenden Kompetenzen die Autonomie der örtlichen Gemeinden zu
beschränken. Die traditionelle Rabbinerausbildung an Jeshibot mit anschließender Ordination
wurde im 19.Jahrhundert zunehmend durch moderne Rabbinerseminare abgelöst, z.T.
aufgrund staatlicher Forderungen nach akademischer Ausbildung der Rabbiner. Erst seit dem
19. Jahrhundert wurden Rabbiner auch Amtsträger der Gemeinden, die sie anstellten. Der
Rabbiner galt jedoch nicht als Angestellter oder Beamter. Seine Unabhängigkeit als freier Lehrer
wurde dadurch gewahrt, daß er von seiner Gemeinde nicht für seine Tätigkeit als Lehrer oder
Richter entschädigt wurde, sondern nur für den Zeitaufwand, der ihm dadurch entstand. Im
19. Jahrhundert entstand allerdings in Analogie zu den christlichen Gemeinschaften (besonders
den protestantischen) eine Revision der Gemeinde- und Amtsstruktur. Dadurch wuchs der
Umfang der administrativen Funktionen stetig, glich sich das Amt des Rabbiners immer mehr
dem des Pfarrers an498.

Aufgaben

Der Rabbiner ist zuständig für alle rituellen und gottesdienstlichen Fragen, für die
Verbreitung jüdischer Kultur, für die Erziehung der Kinder, für die Überwachung der rituellen
Zuverlässigkeit von Tierschlachtungen und von jüdischen Gaststätten, für die Betreuung von
Kranken und Gefangenen. Weiter ist er zuständig für das gesamte Familienrecht. Am
wichtigsten ist seine Lehr- und Richtertätigkeit, wobei er für letztere eigens ausgebildet sein
muß49?.

Rabbinischer Gerichtszwang

Am 30. November 1798 trat ein von Fürst Hermann Friedrich Otto von Hohenzollern-
Hechingen (1798-1810) auf die Dauer von vierzig Jahren ausgestellter Schutzbrief in Kraft500.
In der sogenannten Competenzbestimmung des Artikels 7 dieses Schutzbriefes heißt es:
Siebentes stehen sämmtliche Juden unmittelbar unter Unserer Fürstlichen Kanzley, wo sie in
bürgerlich und peinlichen Sachen Rede und Antwort zu geben, und Recht zu nehmen haben. In
Sachen aber, so ihr Gesetz betreffen, wollen wir sie bey ihrem Rabbinischen Gerichtszwang und
jüdischen Ceremonie gänzlich verbleiben lassen, wobei jedoch jene Fälle, wo etwas strafbares
unterlauft, bey unserer Kanzley von dem Juden-Schultheiß jedes Mal anzuzeigen und daselbsten
abzuwandeln sindim.

Unter den dem Gerichtszwang des Rabbiners unterworfenen Sachen, die das jüdische
Gesetz betreffen, verstand man die Rechtsangelegenheiten auf dem Gebiet des Familien- und
Erbrechts, nicht aber auf dem des Strafrechts. Hinsichtlich des Familien- und Erbrechts galten

498 Hier in Hechingen besonders kraß in der Amtszeit des Rabbiners Dr. Samuel Mayer (1834-1875) zu
beobachten.

499 Vgl. F, S. 57.

500 Vgl. ChH II, S. 222.

501 Nach C, S.210ff.

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