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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0074
Manuel Werner

bis hierhin ununterbrochen als Rabbiner der israelitischen Gemeinde hierselbst, zugleich aber
auch, seit beinahe 24 Jahren, als Rechtsanwalt für den Bezirk der Höh enzollem'sehen Lande.

Man sollte billig mindestens voraussetzen können, daß vor seiner Zulassung zur Praxis als
Anwalt im Jahre 1849 die israelitische Gemeinde, welche zur Zeit seiner Anstellung als Rabbiner
wohl nicht entfernt auf den Gedanken kommen konnte, diesen ihren Prediger und Religionslehrer
dereinst in dem nunmehrigen Hauptamte als Advocat vor den Gerichtsschranken sehen zu
müssen, zu einer bestimmten Erklärung darüber veranlaßt worden wäre, ob sie gegen diese
Zulassung keine Einwendung zu erheben habe, oder daß Dr. Mayer, als er zu dem Berufe eines
Anwalts übergehen wollte, zuvor angehalten worden wäre, seine Entlassung aus dem Rabbi-
natsdienste nachzuweisen. Zur allgemeinen Verwunderung nicht nur der damaligen Zeitgenossen
, sondern auch der späteren Generation, welche nunmehr mit den Angelegenheiten der
Gemeinde befaßt ist, geschah indeß keines von beiden.

Die Fürstliche Landesregierung, obgleich auch mit der Fürsorge für das israelitische
Cultuswesen betraut, fand in der Stellung des Dr. Mayer zu seiner Gemeinde kein Hindemiß,
seinem Wunsche um Verstattung zur Rechtspraxis zu willfahren. So wurde ein einziges Exempel
in seiner Art für das ganze Deutschland statuirt, wo man vergebens einen zweiten Prediger der
Gemeinde zugleich in den Reihen der Advocaten aufsuchen wird. Man braucht wohl keine
besondere Fülle von Einsicht aufzubieten, um von vorne herein zu erkennen, daß die Stellung
eines Rabbiners mit der eines Rechtsanwaltes sich nicht vereinigen läßt, ohne Aergerniß für die
Cultusgemeinde, deren gerechte Anforderungen zurücktreten müssen gegenüber den unbeugsamen
Bestimmungen der Gesetze, welche für Anwälte maßgebend sind. Ganz abgesehen davon,
daß ein gläubiges, religiöses Gemüth sich nicht mit dem Gedanken befreunden kann, daß ein
Anwalt, welcher mit unerhörten, für den aufmerksamen Zuhörer oft in's Wunderliche übergehenden
Anstrengungen vor dem Geschworenengericht die ärgste Sorte verschmitzter Verbrecher
: die Brandstifter, Todtschläger, Raubmörder, Meineidigen und endlich gar Blutschänder
und Nothzüchter vertheidigt, gleichzeitig in der Synagoge und bei kirchlichen Verrichtungen
überhaupt als ein Religionslehrer und Sittenprediger wirken könne, kommt vor allem in
Betracht, daß ein Anwalt jüdischer Confession, der als Rabbiner zumal seiner Gemeinde
gegenüber die Samstage als Sabbathe und außerdem die besonderen israelitischen Feiertage
heilig zu halten hat, wenn ihn nicht etwa die Gerichtsbehörde absichtlich an allen solchen Tagen
dispensirt, mit den beiderseitigen Amtspflichten in Collision geräth. Fälle dieser Art haben sich
denn auch in der That mehrfach ereignet und zu höchst unliebsamen Erörterungen zwischen
dem Gemeindevorstande und dem Dr. Mayer, ja schließlich zu Beschwerden bei den Verwaltungsbehörden
geführt, ohne die gewünschte Abhülfe zu bringen. Das hiesige Königliche
Oberamt insbesondre hat uns in einem Bescheide vom 6ten December 1860 erwidert, daß der
Rabbiner als solcher dem Oberamte nicht subordinirt sei, weshalb man sich nicht in der Lage
befinde, demselben die Wahrnehmung gerichtlicher Verhandlungen an den Sabbathen und
israelitischen Feiertagen in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt zu untersagen.

Gelegentlich einer unmittelbaren Erörterung mit dem Dr. Mayer selbst scheuet sich dieser
aber nicht, dem Gemeindevorstande unter'm 19ten October 1853 u. a. schriftlich zu antworten,
daß er eine am Samstag sogar freiwillig übernommene Vertheidigung vor Gericht nicht
abgelehnt habe, weil er solche als eine gute und somit religiöse Handlung betrachte, wie er denn
jede Vertheidigung im Sinne des israelitischen Criminalrechtes und Gesetzes (!) für eine religiöse
Handlung halte. Vor Gericht erscheine er überhaupt nur an solchen Tagen, wenn er es nicht
vermeiden könne, indem eine unerläßliche Pflicht bzw. ein specieller Auftrag des Gerichts es ihm
auferlege. Die angedrohte Beschwerde fürchte er demnach nicht. Zur näheren Charakterisierung
dieser Erklärung des Dr. Mayer, welche übrigens, abgesehen von den gesetzlichen
Bestimmungen, die ein Hindemiß in der Person des Anwalts unberücksichtigt wissen wollen, das
offene Zugeständniß enthält, daß ihn seine gleichzeitige Function als Rechtsanwalt mit der eines
Rabbiners in Collision bringt, wird es dienen, wenn wir auf die feierlichen Versprechungen
zurückgehen, welche er seiner Gemeinde vor seiner Zulassung zur Rechtspraxis ablegte. Es

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