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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0075
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

handelte sich für ihn in damaliger Zeit darum, die Gemeinde von jeglichem Widerspruch gegen
sein desfallsiges Gesuch zurückzuhalten, es fehlte nemlich nicht an Männern in der Gemeinde,
welche das Unpassende einer Verschmelzung der Functionen als Rabbiner und Advocat an und
für sich begriffen und die daraus entstehenden Unzuträglichkeiten voraussahen. Um die ihm
von dieser Seite drohende Gefahr zu beseitigen, verschmähete er nicht, mit Aufwendung seiner
ganzen Redekunst das Motiv seines Vorhabens als ein so reines und edeles vor der Gemeinde
darzustellen, daß kein Familienvater und keine Familienmutter so trefflichen und beredten
Worten zu widerstehen vermochte. Es war ihm angeblich einzig und allein darum zu thun, seine
aus 8 Köpfen bestehende Familie anständig durchzubringen, ohne dieserhalb der so stark in
Anspruch genommenen Gemeinde weiter lästig fallen zu müssen. Im Gegentheile wolle er der
Gemeinde einen billigen Nachlaß an seinem Gehalte bewilligen, so daß beide Theile aus seiner
Thätigkeit einen Vortheil ziehen könnten. Er mache sich besonders verbindlich, keine 'unanständigem
Rechtsgeschäfte zu übernehmen, insbesondre aber gebe er die feierliche Zusage
1. keinen Prozeß gegen die Gemeinde als solche und gegen ihre eigenen Mitglieder zu
übernehmen; 2. an Sabbathen und Festtagen in seiner Eigenschaft als Anwalt in Processen und
Untersuchungen weder vor Gericht zu erscheinen noch zu plaidiren. Eine einfache Vergleichung
dieser Rede mit dem Wortlaut der schriftlichen Entgegnung vom 19ten October 1853 zeigt
deutlich das inzwischen zur Kühnheit, ja zum Uebermuth herangewachsene Sicherheitsgefühl
des Dr. Mayer, der sich, früherer Versprechungen nicht mehr erinnernd, bisher bei seinen
Kanzelreden in gehässigen und hämischen Angriffen gegen den Gemeindevorstand etc. aufs
Aeußerste versucht, im Uebrigen aber seine Rabbinatsgeschäfte als eine lästige Beigabe zu
seinem jetzigen Hauptamte als Rechtsanwalt betrachtet, Amtshandlungen als Rabbiner mit
Zorn und Widerwillen oder aber auch gar nicht verrichtet und die Gemeinde nicht mehr als
berechtigt ansieht, den ihm von dieser innerhalb der Ritual- und Ceremonial-Gesetze gezogenen
Kreis seiner Wirksamkeit zu bestimmen.

Eine Beschwerde dieser und ähnlicher Art, welche wir zuletzt unter'm 25ten Juni 1872 bei
dem hiesigen Königlichen Oberamte anbrachten, worin wir das entschiedene Verlangen stellten,
daß der Dr. Mayer entweder seine Stelle als Rechtsanwalt oder als Rabbiner niederlege, und
worin wir ihm jedwede Zustimmung der Gemeinde zur Fortführung der Anwaltschaft
ausdrücklich versagten, indem wir zugleich baten: entweder gegen denselben, sofern es in der
Competenz der Staatsbehörden liegen würde, unserer Intention entsprechend namentlich
disciplinarisch vorzugehen oder auszusprechen, daß es der Gemeinde freigestellt sei, nach
eigenem Ermessen in der Sache zu handeln, hatte den uns nicht befriedigenden Bescheid der
Königlichen Regierung zu Sigmaringen vom lOten September ejusdem anni zur Folge, daß ihrer
Seits keine genügende Veranlassung vorliege, gegen den Rabbiner Dr. Mayer einzuschreiten.
Glaube die Gemeinde, daß Letzterer seinen contractlich festgestellten Amtsobliegenheiten nicht
nachkomme, so müsse es ihr überlassen bleiben, dieserhalb den Rechtsweg zu beschreiten. Dieser
Bescheid erläutert uns nicht, warum der Königlichen Regierung keine genügende Veranlassung
zu einem Einschreiten gegen den Rabbiner geboten sei, wie er uns auch nicht darüber
unterrichtet, ob sich die Staatsbehörden einer Einmischung enthalten würden, wenn wir nach
eigenem Ermessen in der Sache handeln sollten. Wäre uns letzteres freigestellt, würden wir nicht
zu dem uns angedeuteten Mittel eines Processes gegen den Dr. Mayer gegriffen, vielmehr ihn
selbst in die Lage gebracht haben, klagend gegen uns auftreten zu müssen, wenn er durch unsere
Maaßnahmen sich als verletzt erachtet hätte. Nachdem der Dr. Mayer nun zwar die Legitimation
zur Rechtspraxis ohne ausdrücklichen Widerspruch der israelitischen Gemeinde resp. ohne
vorgängigen Verzicht auf das Rabbinat von der Fürstlichen Landsregierung zu erlangen gewußt
hat, können wir doch unsere Gemeinde nicht wohl als recht- und schutzlos preisgegeben
erachten, so daß sie fernerhin lediglich von dem guten Willen ihres Rabbiners abhängig ist.
Obgleich diesem einzelne Verrichtungen seines Amtes, die wir mit allem Recht von ihm in
Anspruch nehmen, unbehaglich erscheinen, entschloß er sich nicht zu freiwilligem Rücktritt.
Diesem ganz entgegengesetzt, beharrt er vielmehr in seiner auf unsere letzte Beschwerde

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