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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0081
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

der Menge seiner Brüder, der für sein Volk Gutes suchte und redete das Beste für alle seine
Zeitgenossen^588.

Bei der Seelenfeier am Versöhnungstag 1882 in der Hechinger Gemeindesynagoge wurden
bei einer Andacht für verstorbene Verwandte und Freunde u.a. aufgeführt: Herr Rabbi Wolf
Maier, Herr Rabbi Hayum Weil. Dr. Mayer wird als »Rabbiner« betitelt. Frauen weisen keinen
Rabbi-Titel auf589.

2. Vorsänger (Vorbeter)590 und Synagogenchor

Die Funktion des Vorbeters gibt es seit Ende des 6. Jahrhunderts. Dem Vorbeter (Chazzan
= Kantor und Vorbeter) fällt die eigentliche Leitung des Gottesdienstes zu: Er intoniert die
Gebete, trägt bestimmte Abschnitte vor oder wiederholt sie, markiert den Abschluß der
einzelnen Texte. Auf diese Weise hält er die Gemeinde der Betenden als eine Gemeinschaft
zusammen und gibt den Rhythmus des Gottesdienstes an. Der Vorbeter ist keine durch
besondere Weihen ausgezeichnete Person; jedes Mitglied der Gemeinde, das die traditionellen
Texte und Melodien beherrscht, kann als Vorbeter fungieren. Er wird auch Scheliach Zibbur
(wörtlich: Abgesandter der Gemeinde) - neben der Bezeichnung Chazzan - genannt. Er
vermittelt nicht, sondern gilt als aus der Mitte der Gemeinde gesandt. Oft stellt eine Gemeinde
einen hauptamtlichen Vorbeter an, der dazuhin noch gegebenenfalls die Tora verliest und
Religionsunterricht erteilt. Ebensogut aber können Mitglieder der Gemeinde oder alle Mitglieder
reihum diese Tätigkeit versehen. Der Vorbeter trägt bei jedem öffentlichen Gottesdienst
einen Tallit (Gebetsmantel)591.

In einem Aktenstück vom 5. Oktober 1804592 über Vermuthung einiger Feursgefahr in der
Hechinger Synagoge tritt der Vorsinger Jacob Levi auf. Jacob Levi wohnte direkt bei der
Synagoge in der Oberstadt. Interessant zu erwähnen ist, daß die Synagoge und das Haus des
Vorsängers synonym gebraucht werden. Maurermeister und Feuerbeschauer Joseph Eicheler
hatte um Mitternacht eine Frau 12 bis 15 Kübel Wasser am Marktbrunnen holen sehen und trat
danach die Küchentür des Vorsägners ein, da dieser nach drei- bis viermaligem Anklopfen nicht
öffnete. Aus diesem Sachverhalt kann man schließen, daß die Wohnung des Vorsängers an die
Synagoge angebaut war.

Aus einem Protokoll desselben Tages ist uns ferner überliefert, daß die Hechinger
Judenschaft zur Erweiterung der Wohnung des Judenvorsängers einen Allmandplatz bei der
Synagoge erwarb. Vom Stadtgericht wurde zugebilligt, daß der Anbau an der Synagoge bis auf
6 Schuh herausgeführt und so in einer verlohnten Flucht von 15 Schuh lang, bis auf .5 Schuh
uberbauet werden könne, ohne das die 7.u- und Abfahrt in dortiger Allmandgass gehembt

588 Vgl. Schnee, Die Hoffaktoren-Familie Kaulla an süd-deutschen Fürstenhöfen. In: Zeitschrift für
Württembergische Landesgeschichte. 1961, S. 253. - Leo Adler hingegen schreibt über Jakob Kaulla in
dem 1910 veröffentlichten Artikel über »Die Geschichte des Beth-hamidrasch in Hechingen«: »Bei seiner
Anwesenheit zu Prag im Dezember 1800 wurde ihm von den Appelanten, R. Samuel Landau, R. Michael
Bacharach und R. Elieser Fleckeles ein Rabbiner-Diplom überreicht in Erwägung seines zum Wohle Israels
angewandten Einflusses und seiner den notleidenden und armen Gelehrten und Schülern erwiesenen
Großmut. R. Israel Landau beschreibt in einem Briefe die beispiellose Ehre, welche in der Meisl-Schule,
sowie von den Honoratioren und Stadthauptleuten erwiesen wurden.« Lageron: CAHJP, Inv. Nr. 1014/4.

589 Vgl. Seelenfeier am Versöhnungstag in der Synagoge zu Hechingen. Eßlingen 1882. Lagerort:
HHBH, R.17.

590 Der Chazzan, der Leiter des Gemeindegottesdienstes, wird in den folgenden Ausführungen als
Vorbeter bezeichnet. Im Volksmund hieß er aber Vorleser oder Vorsänger. Im synagogalen Gottesdienst
gibt es aber einen eigenen Vorleser, den Koreh. Als Torakundiger trägt dieser aus der Gesetzesrolle den
Toraabschnitt in dem ihm eigenen Singsang vor. Die Vorbeter werden allgemein gern als Vorsänger tituliert,
da der Gesang ein wichtiger Bestandteil der Aufgabe dieses Synagogendieners ist (Siehe JRS, S. 28 ff.).

591 Vgl. F, S.57f. und S. 61.

592 Vgl. Stadtgerichtsprotokolle (1801-1806), Folio A 15. Lagerort: SAH.

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