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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0094
Manuel Werner

Söhne recommandiere ich mir ßeissig Kadisch nach zu sagen, auch soll sich keiner je mit ein
Rasier-Messer je Rasieren lassen, welches ihnen ewig nicht verziehen werde...661.

Gemäß der Synagogen-Ordnung mußte alles, was am Leichnam zu besorgen war, im
Trauerhause geschehen (§2). Es war nicht gestattet, den Sarg auf dem Friedhof zu öffnen. In
Hechingen, wo eine Beerdigungsbruderschaft (Chefra Kadischa) bestand, blieb deren Mitgliedern
das Abheben der Leichen, die Reinigung und das Bekleiden mit den Sterbekleidern, das
Verfertigen des Sarges, das Einlegen des Leichnams sowie das Heraustragen des Sargs aus dem
Hause überlassen (§3). Der Brauch der Angehörigen, als Zeichen der Trauer einen Riß in die
Kleidung zu machen (Kerija), mußte ebenfalls zu Hause vorgenommen werden, und zwar
nachdem der Leichnam in den Sarg gelegt und ehe dieser zugeschlagen wurde (§4). Der Sarg
mußte mit einem aus Gemeindemitteln anzuschaffenden Leichentuch bedeckt werden (§ 5). Die
Begleiter und Träger sowie die Leidtragenden mußten anständig gekleidet und ihr Haupt mit
einem Hut bedeckt sein. Die Leidtragenden gingen gleich hinter der Bahre oder dem
Leichenwagen, hinten folgten der Rabbiner und die übrigen langsamen Schritts, Paar und Paar,
in geordnetem Zuge (§§6-9). Frauen durften dem Leichenzug nicht folgen (§10). Das Grab
mußte fertig sein, bevor der Leichenzug auf dem Friedhof ankam. Auf Verlangen hatte der
Rabbiner oder Vorsänger die Leichenrede zu halten, ehe der Sarg versenkt wurde. In jedem Fall
mußte der anwesende Religionslehrer die üblichen hebräischen Gebete verrichten. Das
Kaddisch wurde von den leidtragenden Söhnen gesprochen. Zum Schluß hatte der Religionslehrer
ein deutsches Gebet zu sprechen (§ 13—15)662.

In Hechingen war es zumindest in der Zeit von 1847 bis 1916 üblich, die Trauerreden in
Druck zu geben. 18 solcher gedruckten Leichenpredigten sind in der Hohenzollerischen
Heimatbücherei Hechingen erhalten. Die älteste stammt von Rabbiner Dr. S. Mayer und ist die
»Trauerrede bei dem Ableben Ihrer Hochfürstlichen Durchlaucht, der regierenden Fürstin
Eugenie Hortensie Napoleone von Hohenzollern-Hechingen am 5. September 1847 in der
Synagoge zu Hechingen«, die jüngste von Rabbinatsverweser Leon Schmalzbach (»Worte der
Trauer gesprochen bei der Beerdigung seines Schülers Max Levy. Hechingen, am Sonntag,
13. Aug. 1916«)6*3.

Beim Trauergottesdienst für die Fürstin Eugenie von Hohenzollern-Hechingen sang
- vermutlich der Synagogenchor - ein eigens auf die Fürstin gedichtetes Lied:

Die Fürstin entschlief, Die Freud', ach! entfloh

Sie ruhet so sanft und so milde, Aus Schloß und aus Haus und aus Hütte:

Zum Edens-Gefilde In unserer Mitte

Der Herr sie berief. Ist Niemand mehr froh.

Drum weinet das Herz Doch lobet den Herrn,

Der Trennung wehmüthige Thränen, Sie wird uns noch liebend umgeben,

Die Klagen ertönen, Uns schützend umschweben,

Durchschauert vom Schmerz. Nah ist sie, nicht fern.

Die Trauerrede begann mit den Worten: »Gott! Du hast nicht vernommen unser Gebet,
unser Flehen nicht erhört. Wir baten Dich um Gnade, Du hast sie verweigert; wir baten Dich
um Erbarmen, Du hast es nicht gewährt. Warum schlugst Du uns in Deinem Zorne, warum
straftest Du uns in Deinem Unwillen?« Mit eindringlichen Worten schildert Rabbiner Mayer

661 Akteninventar der Israelitischen Gemeinde Hechingen. Lagerort: SAH, Aktenplan 5422 Bd.
Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde.

662 Vgl. Gottesdienst-Ordnung für die Synagogen des Königreiches Württemberg. Stuttgart 1838.
Lagerort: HHBH, R. 8.

663 Die Leichenreden liegen in der HHBH unter R. 11. - Zum Thema Leichenbegängnis siehe auch JRS,
S. 253-302 und Kapitel VII. Öffentliche Einrichtungen der (religiösen) Judengemeinde unter 4. Judenfriedhof
.

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