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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0145
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Stellungnahme des Rabbinatsverwesers Leon Schmalzbach -AndenHohenzol-
lerischen Blättern vom 3. April 1926 wehrte sich Rabbinatsverweser Schmalzbach unter der
Überschrift »Von der Kreuzesstrafe« gegen falsche Darstellungen des historischen Judentums:
»In der unter obigem Titel in Nr. 74 Ihrer gesch(ätzten) Zeitung veröffentlichten Betrachtung
behauptet F. Sp., daß die Kreuzigung bei den Israeliten nicht als Todesstrafe, wohl aber als
schändende Zusatzstrafe gebräuchlich war. Das ist ein ernster Irrtum. Das Judentum kennt die
Todesstrafe der Kreuzigung überhaupt nicht. Sie ist vielmehr uralter römischer Gesetzesbrauch
(Pauly Wiszowa, Realenc. s. u. crux). Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus nennt sie
deshalb eine unerhörte Grausamkeit, die gegen das Gesetz verstößt (Josephus, Altertümer VIII,
14 § 2). Tatsächlich war den Juden die peinliche Gerichtsbarkeit zur Zeit Jesu bereits genommen
und in den Händen der Römer. Dagegen kannte das jüdische Recht ein Aufhängen des
Leichnams nach der Steinigung (Sanhedrin VI 4) >an einem Baume<. Das angeführte Bibelwort:
>Verflucht sei jeder, der am Holze hängt<; ist von F. Sp. erdichtet. Das Schriftwort 5. Buch Mose
21, 23 lautet wörtlich: >Laß nicht seinen Leichnam über Nacht am Baum hängen, sondern
begrab ihn noch am selben Tage, denn eine Beschimpfung Gottes ist ein Gehängten, weil auch
er im Ebenbilde Gottes erschaffen ist.«

Ansprache von Rabbinatsverweser Schmalzbach: Bei der Einweihung der Hechinger
Kriegergedächtnisstätte am 29. Oktober 1932 hielten auch Vertreter dreier Glaubensbekenntnisse
Ansprachen. Die Tatsache, daß Rabbinatsverweser Schmalzbach in der Reihe der
Redner seinen Platz hatte, zeugt - nur einige Monate vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten
- von dem hohen Ansehen, das die Judengemeinde in der Stadt gewonnen hatte. Er
führte aus: »Hier [in Hechingen] hat sich immer ein friedliches Zusammenleben, gegenseitiges
Einstehen und menschenfreundliche Hilfsbereitschaft bei allen Glaubensbekenntnissen gezeigt.
Und wir Juden, die seit vielen Jahrhunderten in dieser Stadt ansässig sind, haben dies schöne
Verhältnis der Volksverbundenheit so selbstverständlich gefunden wie unsere Mitbürger«944.

Brief des Kultusbeamten Karl Hamburger: In einem Brief vom 5.April 1943
schildert der am 26. Mai 1941 in die USA ausgewanderte Karl Hamburger die Lebensumstände
der Jüdischen Gemeinde Hechingen nach dem 10. November 1938: Die allgemeine Lage der
Juden in Hechingen war erträglich. Belästigt wurde man hie und da von der Hitler-Jugend,
während die »Alten« immer noch freundlich waren, soweit sie nicht Parteimitglieder waren.
Gegrüsst durfte natürlich kein Jude werden, aber jeder hatte doch noch ein paar gute christliche
Freunde. ... Die Juden trugen mit Würde ihr Los, nicht mit gebeugtem Nacken, sondern
aufrecht und stolz, aber überall bescheiden und zurückhaltend in ihrem Auftreten945.

XIII. JUDENFEINDSCHAFT: DISKRIMINIERUNG, AUSSCHREITUNGEN,
VERFOLGUNG

Bereits eine der ersten urkundlichen Ewähnungen von Hechinger Juden, nämlich die
Beschwerde des Herzogs Ulrich von Württemberg im Jahre 15 1 4946, ist symptomatisch für eine
vorurteilsbehaftete, judenfeindliche Haltung von Herrschaft und Bevölkerung in den folgenden
Jahrhunderten. In der Abneigung gegen die Juden verbanden sich eine wirtschaftliche und eine
religiöse Komponente. »Die christliche Umwelt sah in ihnen das ungläubige Volk, auf dem der
Fluch Gottes laste, den Feind der Kirche einerseits und den wirtschaftlichen Nebenbuhler
andererseits. ...Die Auseinandersetzungen resultierten aus dem Gegensatz einer Gesellschaft,
die durch mannigfache Gesetze und Verordnungen im wirtschaftlichen Bereich reglementiert

944 Hohenzollerische Blätter vom 30. Oktober 1932.

945 Lagerort: CAHJP, Inv. Nr. 1014/9.

946 Vgl. Kapitel VI. Die Hechinger Juden unter: Erste Nachweise.

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