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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0154
Manuel Werner

abhalten zu können«973. Im Jahre 1760 richteten die Juden eine »sogenannte Schlafstätte [für
durchreisende Betteljuden] in der Friedrichstraße... mit vieler Mühe und großen Kosten«

• 974

ein .

Bis zu dieser späten Gettobildung lebten die Juden unter der christlichen Bevölkerung. Die
Zusammenziehung der Juden im Getto verschärfte die Absonderung von der übrigen Gesellschaft975
. Auch optisch grenzte das Getto die Judenschaft als eigenen religiösen, rechtlichen und
sozialen Sonderbereich ein. Wahrscheinlich wurde diese späte Übersiedlung in einer Zeit, als die
Aufklärung andernorts die gesellschaftliche und politische Gleichberechtigung vorbereitete, als
Rückschritt empfunden976.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden die Juden in besonderen Judenhäusern
zusammengelegt977.

Antijüdische Stimmung auch in Kirchenkreisen: Im Jahre 1771 herrschte große
Not. In der Chronik der Stadtpfarrei Hechingen steht darüber: »Wenn Serenissimus (der Fürst)
die Judenschaft, die in Hechingen in einer Stärke von mehr als 300 vertreten ist, aus der Stadt
hinausjage, dürften vielleicht manche Viktualien von den Christen wohlfeiler zu bekommen
sein«978.

Belastungen und Demütigungen: Obwohl der Schutzbrief von 1775 auf die Dauer
von 25 Jahre um einen hohen Preis erkauft worden war, wurden die Juden »aber noch oft durch
harte Lasten und Zumuthungen gedrückt. So z. B. verlangte einmal der Fürst, daß die Israeliten
die Hunde auf die Jagd führen sollten. Schon waren sie in dem Schloßhofe versammelt, als die
Vorsteher [der Judengemeinde (Barnas genannt)] erschienen und sie nach Hause gehen hießen.
Diese wurden zwar mit Arreststrafe belegt, aber bald wieder der Haft entlassen, ...«979.

Wegen des Wirkens der einflußreichen Hoffaktorenfamilie Kaulla gestaltete sich bis zu
deren Tod (Madame Kaulla 1809, Jakob Raphael Kaulla 1810) der Wegzug Anfang des
19. Jahrhunderts das Geschick der Hechinger Juden in dieser Zeit »freundlicher und milder«980.

Bereits 1807 aber erging eine Verordnung, dass sämtliche Judenfamilien, die in Hechingen
keine eigenen Häuser besitzen, sich unverzüglich auf der Friedrichstrasse anbauen oder binnen
3 Monaten auswandern sollten9*1. Ursprünglich war der Verkauf der Rangendinger Klostergebäude
an die Juden, die keine Aufenthaltsberechtigung hatten, geplant .

Im Stadtgerichtsprotokoll vom 15. September 1809 ist unter dem Stichwort Policeystraf und
Schaden Ersatz folgender Vorfall verzeichnet: Am vorlezten Samstag hat die Tochter der
verwittibten Schreinerin Holzapßinn> den Juden Hajum Mayer, als er abends aus der Schul9**
zurückkam, mit Spielwasser geschüt und dessen Huth und Rock beschmuzt. Der vorgezeigte
Rock ist mitlerweilen von der Mutter Holzapflin zum reinigen übergeben worden, und durch
einen Schneider auch dergestalten wieder hergestellt worden, daß beinahe kein Fleck ersichtlich

973 M, Spalte 506. - Dieser Gottesdienst wurde vermutlich in der ersten uns bekannten Synagoge, der sog.
Judenschuol, abgehalten. Die heute noch erhaltene Synagoge in der Goldschmiedstraße (Judengasse) wurde
ja erst 1767 - wohl auf demselben Platz - erbaut. Die Zahl zehn war kein Zufall, denn für einen synagogalen
Gottesdienst ist ein sog. Minjan erforderlich, d.h. die Anwesenheit von zehn religiös volljährigen
männlichen Personen.

974 Ebd.

975 Der Judenbrunnen um 1627 und die Judengasse können als Indiz einer frühen Absonderung gelten.

976 Vgl. KR, S.38.

977 Vgl. die Abschrift eines Fragebogens zur Geschichte der Hechinger Juden. Lagerort: SAH.

978 Vgl. ChH III, S.169.

979 M, Spalte 507.

980 Vgl. M, Spalte 507.

981 Akeninventar der Israelitischen Gemeinde Hechingen, Abschrift. Lagerort: SAH, Aktenplan 5422,
Bd. Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde.

982 Ebd., Anm.2.

983 Siehe Kapitel X. Kult und rituelle Formen, Abschnitt 5. Armenwesen unter: Armenhaus.

984 Synagoge.

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