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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0157
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

mungslosen Kampf gegen die angeblich rassenfremde jüdische Bevölkerung in sich stetig
steigernder Intensität fort. Die Massenmedien Presse und Rundfunk wurden gleichgeschaltet
und der Verleumdung und Haßpropaganda dienstbar gemacht. Durch fortgesetzte Hetze und
durch massive Drohungen erreichte die Partei, daß die jüdische Bevölkerung zunehmend in die
gesellschaftliche und wirtschaftliche Isolation gedrängt wurde995. Die erste offizielle antijüdische
Maßnahme, der Boykott jüdischer Geschäfte am 1. April 1933, traf besonders die
nationaldeutsch gesinnten Juden wie ein schwerer Schock. Der Boykott wurde als Antwort
gegen die Boykott- und Greuelhetze der Juden im In- und Ausland dargestellt.

Auftragsgemäß wurde er auch in Hechingen durchgeführt. Die Hohenzollerischen Blätter
berichteten bereits am selben Tag kurz über die Aktion:

»Durchführung der Abwehraktion in Hechingen. Die vom Abwehrkomitee gegen die Greuelhetze
angeordnete Boykottaktion wird heute auch in Hechingen durchgeführt. Heute morgen
um 10 Uhr marschierte ein Zug SA.-Leute auf den Marktplatz. Vor den jüdischen Geschäften
wurden uniformierte oder mit Armbinde bezeichnete Posten aufgestellt«996.

Zwei Tage später folgte ein detaillierterer Bericht:

»Der Abwehrboykott. Der Abwehrboykott gegen die ausländische Greuelpropaganda wurde
am Samstag in Hechingen programmgemäß durchgeführt. Vormittags um 10 Uhr zogen, wie
bereits gemeldet, uniformierte SA.-Leute und durch Armbinden gekennzeichnete Mitglieder
der NSDAP, vor 11 Geschäften jüdischer Kaufleute auf und blieben dort mit Ablösung bis zum
Geschäftsschluß postiert. An den Geschäften wurden gelbe Plakate mit schwarzem Kreis und
Plakate mit der Inschrift »Deutsche kauft nicht bei Juden« angebracht. Die Aktion verlief in
völliger Ordnung und Ruhe. Teilweise hatten die betr. Geschäfte geschlossen. Käufe wurden
fast keine getätigt. In der Unterstadt wurde ein Plakat eines jüdischen Kaufmanns entfernt, in
dem auf dessen Teilnahme am Weltkrieg Bezug genommen war« "7.

Auch im NS-Kurier vom 3. April 1933 werden auf Seite 6 die Ereignisse in Hechingen in
einem Bericht über die Durchführung des Boykotts in mehreren württembergischen Städten
erwähnt:

»Boykott-Posten.
Abwehrkampf in Württemberg,

... In Hechingen zogen um 10 Uhr 40 Nationalsozialisten auf dem Marktplatz auf und verteilten
sich auf die jüdischen Ladengeschäfte. Der Aufmarsch ist ruhig vor sich gegangen« "8.

Die Fabriken und Geschäfte büßten infolge des Boykotts Kundschaft ein999.

Nach diesem Auftakt der Behinderung auf wirtschaftlichem Sektor publizierten die
Hohenzollerischen Blätter kurz darauf eine einschneidende Maßnahme für das religiöse Leben
der jüdischen Einwohner:

995 Vgl. Paul Sauer, Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen
Verfolgungszeit 1933-1945. Stuttgart 1968, S. 59ff.

996 Hohenzollerische Blätter vom 1. April 1933, Nr. 77.

997 Hohenzollerische Blätter vom 3. April 1933, Nr. 78. - Bei dem genannten jüdischen Kaufmann
handelte es sich vermutlich um Edmund Eppstein, der einen Kolonialwarenladen in der Schadenwei-
lerstr. 56 (jetzt andere Straßennumerierung) besaß.

998 Zitiert nach Paul Sauer, Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-
Württemberg durch das Nationalsozialistische Regime 1933-1945. Stuttgart 1966, Bd. 1, S. 11, Nr. 5.

999 Vgl. Abschrift eines Fragebogens zur Geschichte der Hechinger Juden. Lagerort: SAH. - Original:
Fragebogen für das »Gemeindebuch« Nr. 336/Hechingen (Archiv Yad Washem/Jerusalem).

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