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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0166
Manuel Werner

Am 16.12.1938 traten vier Personen aus der Israelitischen Religionsgemeinschaft aus. Die
versuchte Anmeldung bei der Evangelischen Kirchengemeinde wurde abgelehnt.

Aus der bereits oben zitierten Stoffsammlung für die Chronik der Stadt Hechingen für das
Jahr 1939 steht unter »Politik und besondere Vorkommnisse«: »Nach dem Attentat auf den
Führer in München am 8. November 1939 wurden in der Nacht von 9. auf 10. November 1939
sämtliche erwachsenen männlichen Juden in Hechingen in Schutzhaft genommen und erst nach
1-2 Wochen wieder entlassen.«

In derselben Sammlung ist zum Jahr 1940 unter »Besondere Vorkommnisse« verzeichnet:
»1. In den Jahren 1939 u. 1940 wanderten viele Juden aus. Sie mußten aber vorher ihr Gold und
Silber und ihre Juwelen an das Reich abliefern, ihre Fabriken und Häuser an arische Leute
verkaufen und durften von ihrem Barvermögen nur einen kleinen Betrag mitnehmen. Der Rest
wird vom Reich verwaltet und zu gegebener Zeit darüber verfügt. Die in Hechingen noch
verbliebenen Juden wurden - soweit arbeitsfähig - zur Bergung der Heu-Ohmd und Getreideernte
in Hechingen und Stetten eingesetzt. - 2. In den Jahren 1938 bis 1940 sind im
Judenfriedhof eine Anzahl Grabdenkmäler, sowie das Innere des Friedhofstempels zerstört
oder schwer beschädigt worden«1019. So wurden beispielsweise am 3. März 1940 und in der
Woche vor Ostern 1940 auf dem israelitischen Friedhof ca. 25-30 Steine von Jugendlichen
umgeworfen, z.T. auch zertrümmert1020.

Die Lebensumstände der jüdischen Bevölkerung in Hechingen von der Reichskristallnacht
am 10. November 1938 bis zu seiner Auswanderung am 26. Mai 1941, kurz vor der ersten
Deportationswelle, schildert eindrucksvoll ein jüdischer Augenzeuge, Herr Carl Hamburger,
damals Kultusbeamter der israelitischen Gemeinde:

Die Nacht vom 9. zum 10. November[1938] steht mir ewig in Erinnerung. Ich, meine Frau und
mein KindHanni mussten zusehen zuhören, wie unsere schöne, schmucke Synagoge im Inneren
vollständig demoliert wurde. So konnten nur die Hunnen zerstören. Sicherlich wäre das
Gotteshaus in Brand aufgegangen, wenn nicht Gefahr für die eng angebauten Häuser bestanden
hätte. Um 6 Uhr morgens war alles vorüber, die Horde in Zivil zog ab; jüdische Privatwohnungen
wurden nicht heimgesucht, nur die Schaufenster im Geschäfte von Otto Hofheimer wurden
eingeschlagen. Ich schaute auf die Strasse (Goldschmidtstrasse) hinaus und sah, wie Städtische
Arbeiter Gebetbücher, Talisim™21, Zilynder etc. durch die eingeschlagene Synagogentüre
wieder in die Synagoge schaufelten. Viel Volk stand auf der Strasse und schaute sich die »Sache
näher an, die einen mit hämischem schadenfrohen Blick, die anderen, aber es waren nur wenige,
schlugen die Hände zusammen und »dachten sich ihr Teil". Die eingeschlagenen Türen, Fenster
wurden mit Brettern zugenagelt, und damit hörte die Synagoge auf, ein Gotteshaus zu sein; es
war eine Ruine, und man kann sagen, dass damit die alte, ehrwürdige Jüdische Gemeinde
Hechingen aufgehört hatte, zu existieren. Das gleiche Schicksal hatte die Synagoge in Haigerloch
und Rexingen ereilt; auch diese waren nur im Innern demoliert worden.

Gegen Vi7 Uhr a. M. wurden fast alle jüdischen Männer verhaftet und ins Gefängnis im
Landgericht Hechingen überführt. Es waren dies: Edmund Eppstein, Dr. M. Meyer, Landgerichtsrat
a.D., Carl Levy, Otto Hofheimer, Harry Weil, Kurt Model (getaufter Jude),
Rabbinatsverweser Leo Schmalzbach, Ernst Grumbacher. Während Edmund Eppstein, Dr.
Meyer und Carl Levy bald wieder entlassen wurden, weil sie über 60 Jahre alt waren, kamen die
anderen einige Tage später ins Konzentrationslager: DACHAU. Hofheimer und Schmalzbach,

1019 Lageron: SAH, API. 5640.

1020 Vgl. GL, S. IX. Siehe auch Kapitel VII. Öffentliche Einrichtungen der (religiösen) Judengemeinde,
Abschnitt 4. Judenfriedhof unter: Zerstörungen.

1021 Gebetsmäntel.

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