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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0174
Manuel Werner

Sonderlings. In dieser Zeit erhielt er seinen Spitznamen »Bockmeyer« 1039, weil sich neben
seinem Haus ein Dutzend Geißen und ein halbes Dutzend Böcke tummelten. Mit den
markanten Gesichtszügen glich er einer Mischung von Bauer, Landstreicher und Prophet des
alten Bundes. Ende der zwanziger Jahre erwarb der wegen seiner heilpraktischen Tätigkeit mit
den Ärzten verfeindete »Laienkollege« am Südhang des Fasanenwaldes in Richtung Wessingen
ein Wiesengelände und eröffnete dort im Herbst 1929 sein »Waldbad Zollern«. Während des
Dritten Reiches hatte Dr. Meyer schwer unter der Judenverfolgung zu leiden. Zum Verkauf
seines »Hauses Erde« gezwungen, lebte er eine Zeitlang in einer Blockhütte des Waldbads
Zollern. Zuletzt wohnte er bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo in einem alten Haus in
der Frauengartenstraße (Frauengartenstr. 17). Am 7.Sepember 1942 wurde er im Konzentrationslager
Mauthausen - wie die damalige Umschreibung für Ermordung lautete - »auf der
Flucht erschossen«. Seine Sterbeurkunde vom Suchdienst »Arolsen« lautet:

Sterbeurkunde

Sonderstandesamt Arolsen, Kreis Waldeck,
Abt. M. Nr. 2265/1952
Moritz Meyer - israelitisch
wohnhaft in -

ist am 7. September 1942 um 8 Uhr 15 Minuten in Mauthausen verstorben.
Der Verstorbene war geboren am 16. Oktober 1872 in Neuwied.
(Dienstsiegel)

Alrosen, den 7. Februar 1961
Der Standesbeamte
(Unterschrift)10*0

Der Vollständigkeit halber will ich die Prozesse, die nach dem Krieg in Sachen »Synagoge«
und »Deportationen« stattfanden, kurz schildern und in ihren Grundzügen wiedergeben.

Der Synagogenprozeß1041

Die Anklage: Am Freitag, dem 26. November 1948, fand die Verhandlung gegen sechs
Angeklagte vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Hechingen statt. Die Anklage
wurde erhoben wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit im Sinne des Kontrollratsgesetzes
Nr. 10, Art. II, Ziffer lc, wegen eines Verbrechens des Landfriedensbruchs im Sinne der §§ 125,
Abs. II, 47 StGB, bei einem Angeschuldigten zusammentreffend mit einem Verbrechen der
Beihilfe §§ 166, 47 StGB; ferner wegen Vergehen, die sich auf die Religion beziehen, bei zwei
Angeklagten wegen §§ 166, 47 StGB, bei zwei Angeschuldigten wegen Vergehens der Anstiftung
hierzu §§ 166,48,47 StGB, bei einem Angeklagten zusammentreffend mit einem Vergehen
der Beihilfe hierzu § 166, 49 StGB. Oberstaatsanwalt Egelhaaf beschuldigte die Angeklagten
- drei aus Reutlingen, einer aus Schlatt, zwei aus Hechingen -, in der Nacht vom 9.1
10. November 1938 aus rassischen Gründen Gewalttaten gegen ein jüdisches Gotteshaus als
Täter, einer als Gehilfe, begangen zu haben; weiterhin an der öffentlichen Zusammenrottung
einer Menschenmenge teilgenommen zu haben, wobei mit vereinten Kräften Gewalttaten gegen
Sachen begangen und in der Synagoge zu Hechingen Zerstörungen angerichtet wurden. Drei
Angeklagte aus Reutlingen und Schlatt seien dabei als Rädelsführer tätig gewesen.

1039 Viele Hechinger Juden - nicht nur »Originale« - erhielten von der Hechinger Bevölkerung
Spitznamen. Oftmals war den Hechingern der richtige Name gar nicht geläufig.

1040 Vgl. den Nachlaß Walter Sauters. Lagerort: SAH. - In Sauters Nachlaß finden sich weitere
biographische Beschreibungen jüdischer Personen, Familien und Betriebe.

1041 Zusammengestellt aufgrund von Berichten aus: Schwäbisches Tagblatt bzw. Schwarzwälder Post
vom 28. und 29.11.1948 und vom 6.12.1948. - Lagerort der Zeitschriftenausschnitte: HHBH, R12.28. -
Zumindest die beiden Hechinger Angeklagten fielen Ende des Jahres 1948 unter die Amnestie.

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