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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0185
Die Inschriften der Kaulla-Grabdenkmäler

der Eltern von Jakob und Chaile Kauila. Beide, der Vater Rafael (GL 536), gest. den 26.1.1760,
und die Mutter Rebekka (GL 537), gest. den 25.4.1796, sind eine Reihe höher direkt hinter dem
Sarkophag der Madame bestattet. Der Stein des Vaters ist an Ort und Stelle nicht mehr
anzutreffen; er ist in der Nazizeit vielleicht umgeworfen worden und liegt jetzt woanders. Der
Stein der Mutter steht wahrscheinlich noch am Platz, ist jedoch in einem solchen Zustand, daß
mir eine Lesung der Inschrift kaum noch möglich erscheint.

0. 3 Im nachfolgenden sollen die hebräischen Inschriften der genannten Grabdenkmäler
fotografiert und transkribiert vorgestellt werden, gefolgt von einer bewußt ziemlich wörtlich
gehaltenen Ubersetzung und einem in erster Linie inhaltlich, aber auch sprachlich orientierten
Kommentar. Was die Reihenfolge der zu besprechenden Epitaphe anlangt, so gehe ich ganz
einfach chronologisch nach dem Sterbedatum vor, so daß ich mit Chaile Kaulla beginne (1809)
und bei ihrer Tochter Michle (1822) aufhöre.

CHAILE (»MADAME«) KAULLA

1. Chaile (»Karoline«) Kaulla wurde 1739 in Bad Buchau als Tochter des seit 1747 in
Hechingen tätigen Hoffaktors Rafael geboren und war der führende Kopf des Kaulla'schen
Handelshauses. Über sie gibt der letzte Hechinger Rabbiner Dr. Samuel Mayer 1844 folgendes
Urteil ab:

Kaulla nämlich, die Tochter des durch einen unglücklichen Fall in Sigmaringen schnell
verstorbenen Raphael, wurde, in den Zeiten des Reichskrieges, durch ihre bedeutenden
Verbindungen mit vielen Großen der Erde, eine sehr angenehme Frau. Sie erhob sich aus
dürftiger Niedrigkeit zur glänzenden Höhe, daß sie saß neben den Fürsten der Völker. Sie
war eine Debora ihrer Zeit, eine Mutter in Israel, denn es durfte sicher wohnen im Lande, in
den letzten Lebensjahren des Fürsten, der sehr wohlthätig und ein Gönner der Israeliten
wurde,...9

Das ist ein hohes Lob, zumal wenn man bedenkt, daß der Titel »Mutter in Israel« - so wird in
Jdc5,7 die Richterin Debora genannt, die Israel an den Wassern von Megiddo rettete-
traditionellerweise die Bezeichnung für Städte ist, die aufgrund der dort wohnenden, hervorragenden
Gelehrten geistige Zentren für das jüdische Volk in der Zerstreuung darstellen. Solche
»Mütter in Israel« waren beispielsweise Amsterdam, Prag und Saloniki, und obgleich Chaile
Kaulla ganz sicher keine geistige Führerrolle unter ihren Glaubensgenossen beanspruchen
konnte, wird hier ihrem politischen Einfluß und ihrer finanziellen Macht derselbe hohe
Stellenwert im Hinblick auf das Wohl ihres Volkes zugeschrieben wie den geistigen Lenkern der
jüdischen Nation.

Heinrich Schnee, der Experte auf dem Gebiet der Hoffinanz, schreibt über Madame Kaulla:

An Bedeutung werden die genannten Frauen übertroffen von »Madame Kaulla«, die in der
zweiten Hälfte des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts Deutschlands größte Hoffakto-
rin gewesen ist, die an den Höfen von Hechingen, Donaueschingen und Stuttgart eine

schmerzerfüllten Tagen.« Die Anfangsbuchstaben dieser gereimten Zeilen ergeben das Akrostichon:
Hendel, also hieß die Verstorbene: Hendel bat Schlomoh! In GL lesen wir unter Nr. 351: »Hendle, Frau
des ARON. Von den letzten Nachkommen aus dem Hause Degschow. Gest. 26. Nissan (5)587.« Rechts
davon (GL 350) - der Stein ist verschwunden - ruht ihr Gatte Aron, Sohn des Lipmann (Aharon ben Elieser,
gen. Liebmann), gest. 1827. Ich vermute, daß es sich bei den beiden um die Hoffaktorenfamilie Liebmann
handelt. Auf dem von ihnen gestifteten Tora-Vorhang (S. 190) wird sie »Hendel, Tochter des Salomo«
genannt.
9 SM 507.

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