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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0204
Heinrich Kohring

Eine Stütze und ein Wegweiser in Vollkommenheit und in Gottesfurcht zu sein.
Der ehrenwerte Meister Akiba, Sohn des Meisters David Salomo, das Andenken an den

Gerechten sei zum Segen!
Und er ging den Weg aller Welt: am fünften Tage (= Donnerstag),
Und dies ist der Tag Jod Sajin Tevet nach kleiner Zählung.
Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens!

3.3. Bevor ich zu den philologischen und inhaltlichen Erläuterungen übergehe, möchte ich
en passant die Schwierigkeiten erwähnen, die bei der Lesung dieser Grabstele zu überwinden
waren. Die Vorderseite ist ziemlich verwittert und mit einer an vielen Stellen sehr dichten
Moosschicht überzogen. Herr Dr. Vees, mein Sohn und ich sind dem Stein mit Wasser und einer
Wurzelbürste schonend zu Leibe gegangen - das Foto wurde nach dieser »Behandlung«
aufgenommen -, so daß die Buchstaben recht gut wieder zum Vorschein kamen. Hinzu kommt,
daß die rechte obere Ecke herausgeschlagen worden war und etwas laienhaft wiedereingesetzt
wurde; es fehlen in den Zeilen 1,2 und 4 jeweils Buchstaben; in Zeile 3 verläuft der zubetonierte
Riß genau zwischen zwei Wörtern hindurch, was ich nicht auf Anhieb erkannt hatte. Die
fehlenden Buchstaben ließen sich im übrigen aus dem Kontext heraus mühelos und mit
Sicherheit ergänzen.

Eine weitere Vorbemerkung erscheint mir an dieser Stelle angebracht: war bei den ersten
beiden Inschriften, denen der Madame und ihrem Bruder, die Vermutung geäußert worden, als
Verfasser könne der Grammatiker und Lexikograph Jehuda Lob Ben Seew in Frage kommen, so
ist dies bei der vorliegenden und den noch folgenden Inschriften ausgeschlossen, da Ben Seew
bereits im Jahre 1811 verstarb, die noch zu behandelnden Epitaphe aber erst danach entstanden
sind. Auffälligerweise sind sie weniger kunstvoll; sie sind durchaus konventioneller, in der Tat
ein wenig schwülstig und leicht gekünstelt; auch sind die (oder der) Verfasser nicht so stark
bestrebt, seltenere Wörter zu verwenden oder so viele Bibelzitate als nur möglich unterzubringen
.

3.3.1. Der Gerechtigkeit übte: Im Hebräischen steht für »Gerechtigkeit« zadäq, ein
Terminus, der im rabbinischen Judentum, genau wie das bereits erwähnte zedaqa, »Almosengeben
« bedeuten kann, jedoch nicht so ausschließlich. Deshalb und in Übereinstimmung mit dem
Tenor der gesamten Inschrift hielt ich es für angemessener, hier »Gerechtigkeit« zu verstehen.
Die Floskel »Gerechtigkeit übend« (=poel zädäq) - bei Luther: »und tut, was recht ist« -
stammt aus Psl5,2. Der Midrasch zur Stelle enthält auch keinen Hinweis darauf, daß hier
»Almosengeben« gemeint sein könnte67.

Und auf dem geraden Wege wandelte könnte eine Anspielung auf Mal 2,6 sein, wo die Rede
davon ist, daß die Priester »verläßliche Weisung« in ihrem Munde führten »und aufrichtig vor
Gott wandelten (wörtlich: auf dem geraden Weg) und danach: »Denn des Priesters Lippen sollen
die Lehre bewahren, daß man aus seinem Munde Weisung suche; denn er ist ein Bote des
HERRN Zebaoth.« (Mal 2,7). Sollte diese Vermutung zutreffen, dann ist klar, welchen
Vergleich der Autor der Inschrift im Sinne hatte.

50 setzte er auf Gott seine Zuversicht: die hebräische Ausdrucksweise (ssam be-el
ma'uso) orientiert sich unzweifelhaft an Ps 52,9, wo es in Luthers Fassung heißt: »Siehe, das ist
der Mann, der nicht auf Gott sein Vertrauen setzte,..« (hebr.: hinne ha-gävär lo jassim elohim
ma'uso). Formell, idiomatisch entstammt der Ausdruck unserer Inschrift dem angeführten
Psalmvers, nicht inhaltlich wohlgemerkt!

67 William G. Braude, The Midrash on Psalms. Translated from the Hebrew and Aramaic, I, II, New
Häven 1959. Unsere Stelle ist auf S. 190 im l.Band besprochen.

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