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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0262
Frowald Hüttenmeister / Heinrich Kohring

3.2. Das zweite Büchlein ist ein 5548 (= 1787/88) gedruckter Taschenkalender von der Art
der oben bereits erwähnten - mit dem Unterschied freilich, daß dieser hier der älteste,
vollständig erhaltene ist, wie nunmehr nach erfolgter Reinigung der zuvor verklebten und
verdreckten Seiten zu erkennen ist. Allerdings sind einige Blätter mehr oder weniger auseinandergefallen
; wir wollen versuchen, das »Puzzle« wieder zusammenzusetzen.

Auf der Titelseite unseres Luach findet sich folgender, interessanter Hinweis: ».. .und auch
die Feste von den Christen, und sie zählen von ihrem neuen Jahr 1788 an, welches bei ihnen
Schaltjahr genannt wird.« Schalt Jahr steht in deutsch da, aber natürlich in hebräischen Lettern;
»sie zählen von ihrem neuen Jahr...« - das wird deshalb gesagt, weil das jüdische Jahr 5548 ja
bereits angefangen hatte. Außerdem enthält das Kalenderchen - ca. 7 X 11 cm (ca. DIN A 7)
- eine Chronik seit der »Erschaffung der Welt« im Anhang, wo Daten aufgeführt sind wie:
Sintflut - vor 3892 Jahren; Geburt Ahrahams, unseres Vaters, Friede mit ihm - vor 3600Jahren;
Geburt Moses, unseres Lehrers, Friede mit ihm - vor 3180 Jahren; Zerstörung des Zweiten
Tempels - vor 1720 Jahren; Abfassung des Babylonischen Talmud - vor 1284 Jahren;
Vertreibung aus England - vor 538 Jahren; Juden ins Königreich Neapel und Sizilien gerufen
und in allen Städten des Königreichs mit großer Ehre aufgenommen - vor 48 Jahren, und der
letzte und aktuellste Eintrag: Brand von Lissa (wo sich eine sehr bedeutende jüdische Gemeinde
befand) im Staat Großpolen - vor 19 Jahren. Es sind hier nur einige Angaben herausgegriffen;
die Sprache der Chronik ist hebräisch. Auf sie folgt eine »Oder los tofel« (= Aderlaßtabelle)
ebenfalls in hebräisch trotz der jüdischdeutschen Uberschrift. Ferner lesen wir diese wichtige
Mitteilung in jüdischdeutsch:

Nach Rieht
welchss sehr nuzlich ist wi man sich far
haltn sol durch gengss dass jähr (5)548
mit s'man tefilless minche we-kaboless schäbbess in
schpezie einer der auf di reiss ist
oder der in ein ort ist wu kein
(Jehu)dim wohnen hir nach sich regelihrn
kan

Dann folgen die Zeiten, wann man mit dem Nachmittagsgebet (minche) und dem Sabbat am
Freitagnachmittag (kaböless schäbbess) beginnen soll, und zwar jeweils Einheitswerte für
größere Zeiträume, z.B.: »fun sibn zehntn januari bis den sibntn februari dass ist 29 sch'vat
(= das jüdische Datum) s'man minche we-kaboless schäbbess um fir u(hr)«. Diese Uhrzeit stellt
also für den angegebenen Zeitraum (17.1.-7.2.1788) einen praktikablen Mittelwert dar.

In unserem Kalender waren im übrigen alle Beanstandungen des christlichen Zensors
genauestens beachtet worden, denn als im Jahre 1722 der erste Wandkalender gedruckt worden
war, schickte die Sulzbacher Landesregierung am 9.7. des Jahres ein Exemplar an den Zensor
Sebastian Kyck. Dieser erklärte, daß

in solchen Calender gleich als in einen Mischmasch (umb vielleicht hierdurch die Jüdische
tücke desto besser zu bergen) nicht nur hebräisch, Rabinisch, Jüdischteutsch, sondern auch
allerhand abbreviaturen, characteres und einzle Buchstaben für gantze Wörter mit Fleiss
gesetzt, umb nur die Sache desto intricater zu machen und sich hernach hinter eine auslegung
zu stecken, welche Ihnen am bequembsten ist; als will fast unumbgänglich Nothwendig zu
seyn, umb aus der Sach desto leichter und eher zu kommen, auch niemand sich zu
beschweren ursach finde, die hiesige Judenschaf ft vor allen Dingen dahin ernstlich zu halten,
selbst nach vorhero eine gantz deutliche und genugsam teutsche Erklär- und Übersetzung zu
stellen und schrifftlich von sich zu geben, dadurch man hernach umb so eher die verborgene
Griffe ausfindig machen und desto freyer am tag bringen kan.

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