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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0282
Hans Speidel

deutschen Kronprinzen, dessen »Gefängniswärter« er - wie er scherzhaft sagte - in den ersten
Nachkriegsmonaten war. Der Kronprinz wurde nämlich im Juni 1945 als Kriegsgefangener
der Militärregierung nach Hechingen gebracht, wo ihm zunächst zwei Zimmer auf der
Burg Hohenzollern als Unterkunft zugewiesen wurden. Später übersiedelte er in eine
Villa in Hechingen. Aus dem Gefängniswärter Brochu wurde aber bald ein Freund des
Kronprinzen. Beide besuchten sich häufig, und als der Kronprinz im Juni 1947 in einem
Kriegsverbrecherprozeß in Nürnberg als Zeuge vernommen wurde, begleitete ihn Brochu zu
seinem militärischen Schutz auf dieser Reise. Auch nach der Versetzung des Gouverneurs nach
Tübingen im August 1947 war der Kronprinz ständiger Gast in dessen Familie. Und als
Brochu die Nachricht vom Tode des Kronprinzen erhielt - dieser starb am 21. Juli 1951 in
Hechingen -, soll er gesagt haben: Er war mein Freund, und ich habe, obwohl ich Soldat
bin, geweint.

Während der Amtszeit von Colonel Brochu, im Oktober 1946, stattete der Generalgouverneur
der französisch besetzten Zone Württemberg-Hohenzollern, General Widmer, anläßlich
einer Tagung der Gouverneure der Stadt Hechingen einen Besuch ab. Im Sitzungssaal des alten
Schlosses, der damals dem Stadtrat wie auch der Kreisversammlung als Tagungsort diente,
wurde der General mit seinen Offizieren in Anwesenheit des Stadtrats, der Mitglieder der neu
gewählten Kreisversammlung sowie der Vertreter der Behörden und Parteien feierlich empfangen
. Der Stadtbürgermeister und der Landrat begrüßten den Gast, wobei beide auf die engen
Verbindungen der hohenzollerischen Fürstenhäuser zu Frankreich, vor allem in der napoleonischen
Zeit, hinwiesen. Insbesondere wurde auch der in Hechingen bis in unsere Tage verehrten
letzten Hechinger Fürstin Eugenie gedacht, deren Vater Eugen Beauharnais ein Franzose und
der Stiefsohn Napoleons I. war. Der General bedankte sich, wobei er den von der Hechinger
Bevölkerung zu seiner Begrüßung reichlich angebrachten Fahnen- und Blumenschmuck in den
Straßen der Stadt anerkennend hervorhob. Auch die Stadtkapelle musizierte bei seinem
Eintreffen und seiner Abfahrt auf dem Schloßplatz.

Colonel Brochu war über zwei Jahre in Hechingen. Er stand in dieser Zeit mit mehreren
Familien in freundschaftlichem Verkehr und war, wie er oft sagte, ein halber Hechinger
geworden. Zum 1. August 1947 wurde er von der französischen Militärregierung als Kreisgouverneur
nach Tübingen versetzt, und der Tübinger Gouverneur, Colonel Courtois, kam nach
Hechingen. Bei der feierlichen Verabschiedung von Colonel Brochu am 24. Juli 1947 im
Hechinger Museumssaal, die im Rahmen einer Bürgermeistertagung stattfand und bei der neben
sämtlichen Behördenvorständen und Bürgermeistern des Kreises auch viele Gemeinderäte und
andere Kreisbewohner anwesend waren, wurde von mehreren Rednern seine korrekte und
humane Amtsführung gewürdigt. Von allen wurde hervorgehoben, daß er viel Verständnis für
die Belange der Kreisbevölkerung gezeigt und schon in einer Zeit, in der mancherorts noch
Kriegsrecht und Kriegsgewohnheiten galten, an deren Stelle das Gesetz der Menschlichkeit
gesetzt habe. Er habe in der deutschen Bevölkerung weniger den besiegten und geschlagenen
Feind als die ihm anvertrauten Menschen gesehen.

Von Tübingen aus kam Colonel Brochu noch gelegentlich nach Hechingen, zuletzt kurz vor
seiner Rückkehr nach Frankreich im Jahr 1949. Er wollte, wie er beim Abschied sagte, nochmals
mit einigen Bekannten aus der ersten Nachkriegszeit, die ihm nahe standen, Zusammensein.
Unter diesen waren neben dem Landrat und dem Bürgermeister während seiner Hechinger
Amtszeit, Herrn Pretzl, auch der deutsche Kronprinz und der von ihm sehr geschätzte
Stadtpfarrer Baur. Den Ruhestand verbrachte der Colonel in der südfranzösischen Stadt
Marseille. Als die Landräte und Oberbürgermeister von Südwürttemberg-Hohenzollern im
Sommer 1951 auf Einladung der französischen Militärregierung eine Reise nach Südfrankreich
unternahmen, trafen sie ihn dort. Er verbrachte einen ganzen Tag mit ihnen, und man merkte
ihm an, daß er sich über das Wiedersehen mit »seinen« alten Tübinger und Hechinger Landräten
und dem Tübinger Oberbürgermeister aufrichtig freute. Er selbst kam nie wieder nach
Deutschland. Er starb anfangs der sechziger Jahre in Marseille.

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