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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0292
Hans Speidel

Aufgabengebiet ständig zunahm. Den Neuankömmlingen, die meist nur mit einem Rucksack
und Koffer ankamen, fehlte es an allem. Da sie in der Regel auch nicht gleich eine Wohnung
fanden, mußten sie zunächst in einem Lager untergebracht werden.

In Hechingen war das frühere Arbeitsdienstlager im Weiher die erste Aufnahmestation für
die eintreffenden Flüchtlinge. In diesem Lager waren im Herbst 1945 etwa 500 Russen vor ihrer
Rückführung nach Rußland untergebracht, die es vor ihrer Abreise demolierten. Es' mußte
daher zunächst wieder hergerichtet werden, um den ankommenden Heimatvertriebenen eine
erste Unterkunft bieten zu können. Erstmals trafen größere Transporte und sogar Sonderzüge
mit Flüchtlingen im Jahre 1947 in Hechingen ein. Die Ankömmlinge hatten nach ihrer Flucht
aus dem Osten oft jahrelang hinter Stacheldraht in dänischen Lagern verbracht und sollten nun
hier eine neue Heimat finden. Von Mitgliedern des Roten Kreuzes wurden sie auf dem
Bundesbahnhof abgeholt und mit ihrem Gepäck in das Lager Weiher gebracht. Etwa 70 % von
ihnen waren Frauen und Kinder, deren Männer bzw. Väter im Krieg gefallen oder vermißt
waren. Die einheimische Bevölkerung, die besonders auf dem Land in beschränkten Wohnverhältnissen
lebte, zeigte sich gegenüber den Neuankömmlingen nicht immer aufnahmefreundlich
. Vereinzelt mußten diese sogar mit Polizeigewalt in die ihnen von den Bürgermeisterämtern
zugeteilten Wohnungen eingewiesen werden. Manche Bürgermeister beanstandeten auch die
vom Landratsamt vorgenommene Aufteilung auf die einzelnen Gemeinden. Um diesen die
Einweisung der aufzunehmenden Flüchtlinge in die ihnen zugeteilten Unterkünfte zu erleichtern
, wurde der Leiter des Umsiedlungsamts häufig mit den Neuankömmlingen in die Dörfer
geschickt. In vielen Fällen war dies für den Bürgermeister eine große Hilfe. Aber auch der
Vertreter des Umsiedlungsamts hatte bei der Einweisung gelegentlich mit Schwierigkeiten zu
kämpfen. Einmal wurde dieser von dem Wohnungsinhaber, der die Aufnahme einer Flüchtlingsfamilie
ablehnte, sogar mit einem Jagdgewehr bedroht, und nur das Eingreifen eines mit
dem Wohnungsinhaber befreundeten Polizisten konnte Schlimmeres verhindern. Eine große
Hilfe für die Verwaltung waren in jenen Jahren die »Freien Wohlfahrtsverbände«, Caritas,
Evangelisches Hilfswerk und Rotes Kreuz. Vor allem bei der Versorgung der Heimatvertriebenen
mit Kleidern und Wäsche sowie mit dem Nötigsten zur Führung eines Haushalts leisteten
diese Organisationen Vorbildliches. Die Vorsitzende des Roten Kreuzes, die damals schon fast
siebzigjährige Frau Luise Sträßle, die bei jedem ankommenden Flüchtlingstransport zugegen
war und sich für die Anliegen der Heimatvertriebenen jederzeit einsetzte, muß mit ihren
Helferinnen besonders erwähnt werden.

Bis Ende des Jahres 1948 hatte der Kreis Hechingen etwa 2000 Heimatvertriebene aufgenommen
. Der große Flüchtlingsstrom wurde aber noch erwartet. Nach einer Verordnung der
Bundesregierung aus dem Jahr 1949 war das Land Württemberg-Hohenzollern nämlich
verpflichtet, Flüchtlinge aus anderen Bundesländern zu übernehmen. Vor allem Bayern,
Niedersachsen und Schleswig-Holstein hatten im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung einen
sehr hohen Anteil an Vertriebenen, teilweise mehr als 30 %. Diese hatten nach ihrer Vertreibung
aus den deutschen Ostprovinzen dort in beschränkten Wohnverhältnissen gelebt und sollten
nun von Ländern mit einem wesentlich geringeren Flüchtlingsanteil übernommen werden. Von
den dem Land Württemberg-Hohenzollern bei dieser Aufteilung zugewiesenen Heimatvertriebenen
entfielen etwa 5000 auf den Kreis Hechingen. Um diesen neuen Ansturm bewältigen zu
können, wurde auf dem Lindich ein zweites Auffanglager eingerichtet. Die hier aufgebauten
Baracken hatten nach dem Krieg mehrfach eine andere Verwendung gefunden. So war im Jahre
1947 darin ein Hilfskrankenhaus für entlassene deutsche Kriegsgefangene, die unheilbar
lungenkrank waren und von denen die meisten hier starben, untergebracht. Vom Februar 1948
bis zum Sommer 1949 wurde der Lindich Erholungsheim für Kinder von heimatvertriebenen
Familien aus Südwürttemberg und Hohenzollern. Die Lindichbaracken waren nunmehr als
Auffanglager vorgesehen, und zwar nicht nur für die dem Kreis Hechingen, sondern auch für
die mehreren Nachbargemeinden zugewiesen Heimatvertriebenen.

Die meisten Flüchtlinge trafen in den Jahren 1949 bis 1951 in den Hechinger Lagern ein. Von

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