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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0049
Die Leibbücher der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer

Dieses Schattendasein führen Leibbücher zu Unrecht. Denn sie sind - jenseits aller rein
hilfswissenschaftlichen Relevanz11 - nicht nur durch das in ihnen kompilierte Namensmaterial
aus naheliegenden Gründen für den Genealogen, Heimatforscher und Germanisten von
Interesse, sie können auch wichtige Quellen für die landes- und sozialgeschichtliche Forschung
sein12. So lassen sie sich etwa für Fragestellungen der historischen Demographie auswerten, da
sie die Zahlen der Leibeigenen zu einem bestimmten Zeitpunkt oder innerhalb eines umgrenzten
Zeitraums in den Territorien an einzelnen Orten wiedergeben13. Je nach Anlage sagen sie
auch etwas - um nur einige zentrale Aspekte herauszugreifen - über Haushaltsgrößen,
Kinderzahlen und Häufigkeit der Wiederverheiratung bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe
aus. Waren Leibbücher über eine längere Zeitspanne kurrent und trug man Veränderungen
nach, die die Leibeigenen erfuhren (z.B. Ortswechsel innerhalb des Territoriums, Abzug,
Freikauf, Freilassung), sind sie Dokumente räumlicher und sozialer Mobilität14. Vermerkte
man bei Ergebungen in die Leibeigenschaft das Motiv, stößt der Interpret auf Ursachen sozialer
Bewegungen15. Notierte man bei Todesfällen den geforderten oder gezahlten Fall, so wird die
realiter ausgeübte Praxis des Einzuges von Todesfallabgaben über alle rein normativen Quellen

Jahreshefte 2 (1935) S. 113-129 mit einer alphabetisch für die einzelnen Orte geordneten Namensliste;
Kraus' Thesen zu den Leibbüchern scheinen mir einer Uberprüfung wert. Zur Leibeigenschaft in der
Grafschaft Zollern s. Karl-Friedrich Eisele: Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern und ihrer
Nachbarn (Arbeiten zum Historischen Atlas von Südwestdeutschland 2 = Arbeiten zur Landeskunde
Hohenzollerns 3). Stuttgart 1956. S. 35f. und jetzt Casimir Bumiller: Studien zur Sozialgeschichte der
Grafschaft Zollern im Spätmittelalter, Diss. phil. Freiburg i. Br. 1984 (im Druck) S. 252 ff. Ebenso wie Kraus
hat sich auch Ernst Schneider: Leibeigenenverzeichnisse der Herrschaft Langenstein aus dem Jahre 1618.
In: Hegau 7 (1962) S. 243-249 auf die Herausgabe einer alphabetischen Namensliste beschränkt. Auf die
vereinzelt in der genealogischen Literatur (zumeist aus Urkunden) veröffentlichten kleinen Leibeigenenlisten
sei hier nicht näher eingegangen. Sie sind anhand der einschlägigen landeskundlichen Bibliographien zu
ermitteln. Ein Beispiel: Otto-Günther Lonhard: Fünf alte Leibeigenenverzeichnisse. In: Südwestdeutsche
Blätter für Familien- und Wappenkunde 15 (1976-1978) S. 497-507. - Der Einsatz der EDV für die
Edition oder Auswertung von Leibbüchern wäre sinnvoll.

11 Eine rein quellenkundliche Untersuchung der erhaltenen Leibbücher, wie sie die Urbare - verwiesen sei
nur auf Gregor Richter: Lagerbücher- oder Urbarlehre. Hilfswissenschaftliche Grundzüge nach
württembergischen Quellen (Veröffentlichungen der Staatlichen Archiwerwaltung Baden-Württemberg
36). Stuttgart 1979 mit weiterer Literatur - erfahren haben, wäre einmal eine lohnende Aufgabe. Hier ließen
sich hilfswissenschaftliche Fragestellungen besonders gut mit solchen der Verwaltungs- und Sozialgeschichte
verbinden. Freilich bleibt zunächst einmal systematisch die Überlieferung zu sichten; vgl. hierzu
folgende Anm. und unten Anm. 106.

12 Ein Leibbuch der Deutschordenskommende Beuggen, das im Jahre 1410 angelegt wurde, hat Claudia
Ulbrich: Leibherrschaft am Oberrhein im Spätmittelalter (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts
für Geschichte 58). Göttingen 1979. S. 118 ff. ausgewertet.

13 Natürlich ist die schriftliche Überlieferung von »Volkszählungen«, welche die gesamte Bevölkerung
eines Territoriums (und nicht nur die Leibeigenen) erfaßt haben, für bevölkerungsstatistische Analysen eine
höherwertige Quelle als das Leibbuch; vgl. hierzu die Bemerkungen von Andermann in seinem Aufsatz
über die sog. »Speyerer Volkszählung« von 1530 (wie Anm. 9) S. 110f., Anm. 5; zu derselben Erhebung s.
auch Meinrad Schaab und Kurt Andermann: Leibeigenschaft der Einwohner des Hochstifts Speyer
1530. In: Historischer Atlas von Baden-Württemberg IX,4, Beiwort, Stuttgart 1979. Aber wenn keine
Gesamterhebungen vorliegen, dürften Leibbücher - und dies vor allem für den ländlichen Bereich - doch
eine zentrale Quelle der historischen Demographie sein und bei solider Interpretation unter Auswertung
weiterer Quellen (Urbare, Urkunden) zu fruchtbaren Ergebnissen führen. - Auf Schwörbriefe als Quellen
für demographische Untersuchungen hat Hans-Martin Maurer: Masseneide gegen Abwanderung im
H.Jahrhundert. Quellen zur territorialen Rechts- und Bevölkerungsgeschichte. In: ZWLG 39 (1980)
S. 30-99 hingewiesen.

14 Vgl. z.B. unten in der Edition die Eintragungen 1, 36, 155 und 158.

15 Ebd. Eintragungen 37, 52, 53, 142, 175, 211, 229, 244, 245 und 339.

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