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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0060
Roben Kretzschmar

Leibeigenenlisten stets auf dem neuesten Stand zu halten hatte94, einen Leitfaden für eine
reformierte Führung der Leibbücher in die Hand zu geben, ist diese territorialpolitische
Zielsetzung unverhohlen zum Ausdruck gebracht: Es hat ein renovator zu wissen, daß alle
underthonen regulariter, welche in obbenanten graff- und herrschafften wohnen, für leibaigne
zu halten, deswegen darfür anzusprechen, es khönte dan einperson das contrarium beweisen, so
hat es seinen weeg. Dem Renovator wird es geradezu zur Aufgabe gemacht, darauf hinzuwirken
, daß Leibeigene fremder Herren sich freikaufen und friedberg-scheerische Leibeigene
werden, da man sie lenger in der herrschafft zue erdulden nit gesinnet. Selbst die Freien sollten
sich den Reichserbtruchsessen nach und nach ergeben: Hiertzu soll man zueläßliche billiche
mittel brauchen.

War die leibrechtlich nicht länger differenzierte Untertanenschaft im eigenen Territorium
das erklärte Ziel Christophs, so dachte er keineswegs daran, auf entsprechende Intentionen
benachbarter Herrschaften Rücksicht zu nehmen. Die Ausleute wollte er nach wie vor in
Amtsbüchern erfaßt und streng kontrolliert haben95.

Wie sollte nun die fortgesetzte Bestandsaufnahme der Bevölkerung in der Grafschaft und
der auswärtigen Leibeigenen vonstatten gehen? Nach welchen Prinzipien waren die von der
Herrschaft gewünschten Amtsbücher zu führen?

Zunächst einmal sollte der für die Ersterhebung zuständige Renovator an jedem Ort mit
Hilfe des lokalen Ammanns vier unterschiedliche register oder Verzeichnisse aller mann- und
Weibspersonen und der kinder in der wiegen anlegen. Es handelt sich im einzelnen um folgende
Bücher:

1. Ein Verzeichnis aller Leibeigenen, die am Ort der Erhebung wohnhaft oder verbürgert sind.
Berücksichtigt sollten hier auch Personen sein, so deßelbigen orths gebürtig, wann sie schon
dero zeitt etwa anderswo dienen, studirn, wandern oder was ursach sye sich der zeitt
anderswo auffhalten..., sofern sie sich nicht abgekauft haben oder aus der Leibeigenschaft
entlassen worden sind.

2. Eine Liste der Ausleute, in der die Daten aller Personen kompiliert werden sollten, die sich
vom Erhebungsort wegbegeben und außerhalb des Territoriums heußlich und nit nur
dienstweis niedergelassen haben.

3. Eine Ubersicht über alle Leibeigenen fremder Herren am fraglichen Ort.

4. Eine Zusammenstellung aller ortsansässigen Freien.

Diese Partikularregister sollten - quasi als Erhebungsbögen - das Vorstadium darstellen,
anhand dessen zusammenfassende Bücher einer jeden Stadt und eines jeden fleckens, dorfes,
weilers und hofs zu erstellen waren. Dabei sollten jeweils auf der linken Seite des aufgeschlagenen
Buches der Vater mit den Söhnen und auf der rechten die Mutter mit den Töchtern
erscheinen. Verheiratungen, Freikäufe, Todesfälle und alle übrigen Veränderungen mußten
peinlichst durch Nachträge vermerkt werden. Damit der Renovator immer die hierzu notwendige
Information erhielt, ist in der Instruktion vorgeschrieben, daß alle Amtleute jeweils am 3.
oder 4. Tag eines Monats ihm eine Aufstellung vorlegen, in der alle Geburten, Zuzüge,
Eheschließungen, Abzüge und Todesfälle angezeigt sind.

daß die Reform der Leibbücher im Zusammenhang mit dem Ulmer Kompromißurteil stand, auf das die
Instruktion auch mehrfach Bezug nimmt. Eine Durchsicht der Protokollbände der Grafschaft für die Jahre
1610-1620 (wie unten Anm. 97) nach einem Hinweis auf die Instruktion und ihr Entstehungsdatum brachte
kein positives Ergebnis.

94 Renovatoren sind seit den achtziger Jahren des 16. Jahrhunderts in Friedberg-Scheer nachweisbar
(Bestallung des Veit Gütz zum Renovator am 20. August 1581; StAS, Dep.30, Friedberg-Scheer, Rep. II
K. IV F. 3 Nr. 1); vgl. Kretzschmar (wie Anm. 5) S. 197 mit Anm. 87.

95 Ausdrücklich wird in der Instruktion dem Renovator auferlegt, auch bei den auswärtigen Leibeigenen
die Fälle und Fastnachtshennen unnachgiebig einzuziehen. Auch sollte er bei den Ausleuten (ebenso wie bei
den in der Grafschaft gesessenen Leibeigenen) alle ausständigen Leibhennen der letzten Jahre nachträglich
erheben.

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