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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1986/0114
Eberhard Naujoks

Staatsämter meist nichts taugten11. Der König hatte bewußt reichen Emporkömmlingen den
Eintritt in den Adelsstand verweigert, höchstens einige Juristen und sogar Soldaten nobilitiert,
wenn sie dem Staat Dienste geleistet oder in harten Dienstjahren gezeigt hatten, daß sie diese
Auszeichnung verdienten. Um dieses gesellschaftliche Rückgrat Preußens zu erhalten, erschien
ihm als das einige Mittel zur Erhaltung des Adels... die Einführung des Erstgeburtsrechts,
Schaffung von Majoraten, damit der Älteste den Glanz des Hauses bewahren kann12.

Durch die Ideen des Freihandels und der Liberalisierung der Wirtschaft, wie sie von dem
Werk des Schotten Adam Smith seit 1776 auch nach Preußen übergriffen, und durch die
Erschütterung der feudalen Ordnungen seit dem siegreichen Vordringen der Französischen
Revolution und Napoleons I. wurde diese Adelswelt samt ihrer agrarischen Basis in Frage
gestellt. Noch um das Jahr 1800 war der größte Teil der preußischen Erwerbsbevölkerung
- etwa 65 % - in der Landwirtschaft tätig, in der auch der gesellschaftliche Reichtum des Staates
erarbeitet wurde. Noch größer war der Prozentsatz der Bevölkerung, die auf dem Lande lebte,
da hier u. a. auch die dörflichen Handwerker wohnten. Entscheidend für die spätere Stellung des
Adels, also des Junkertums, war seit dem H.Jahrhundert die Agrarverfassung Preußens
geworden, weil sich in der Gutsherrschaft durch die kennzeichnende Einbeziehung bäuerlicher
Arbeitskräfte und deren Dienstleistungen bei der Bewirtschaftung adeligen Eigenlands schließlich
feste Gutsbezirke herausgebildet hatten, in denen der örtliche Adel durch Konzentration
der Grund- und Gerichtsherrschaft die Macht in der Hand hatte. In Brandenburg-Preußen lebte
die Bevölkerung des flachen Landes in Erbuntertänigkeit, in ungünstigen Fällen in Leibeigenschaft
; jedes Dorf hatte seinen - adeligen - Grundherren, dem es dienen und auch Abgaben
leisten mußte. Vor allem war die unbedingte Schollenpflicht für alle die Grundvoraussetzung.
Ohne Erlaubnis des Herren durften die Bauern und ihre Familien das Land nicht verlassen. Wer
ein Handwerk erlernen oder heiraten wollte, hatte die Zustimmung des Herrn, der »Grundobrigkeit
« einzuholen13.

Wie stark die adelige Herrenschicht durch Aufklärung und Französische Revolution in
ihren religiösen Auffassungen bzw. in ihrer Staats- und Lebensanschauung getroffen wurde,
verrät noch heute die Lebensbeschreibung des märkischen Edelmanns im Zeitalter der
Befreiungskriege Friedrich August Ludwig von der Marwitz. Bezeichnenderweise erschien ihm
im Rückblick auf sein Leben die größte Erinnerung seiner Kindheitsjahre, daß er dreimal
Friedrich den Großen aus nächster Nähe hatte sehen dürfen. Ungemein anschaulich hat er die
Rückkehr des Königs nach Berlin und den Ritt durch die respektvoll schweigende Volksmenge
beschrieben, um die aufopferungsvolle Lebensleistung des alternden Selbstherrschers zu
glorifizieren. Der bodenständige Konservativismus eines Marwitz verrät, in welchem Maße
derselbe unmittelbar aus dem Milieu und dem Interessenstandpunkt des adeligen Grundbesitzers
erwachsen war. Das schließt nicht aus, daß der märkische Junker Edmund Burkes Buch
über die Französische Revolution und die Schriften von Friedrich Gentz und von Adam Müller
gelesen hat. Als Führer der Adelspartei empfand er über die Edikte des Freiherrn von Stein und
die weiterführenden - liberalen - Reformen des Fürsten Hardenberg lebhaften Unwillen und
trat schon im Jahre 1809 als Deputierter auf dem kurmärkischen Landtag auf. Wer so am alten
Preußen Friedrichs II. hing, haßte das liberalgesinnte Bürgertum und trat immer entschiedener
in den Jahren vor den Befreiungskriegen in Opposition zu den Reformern, zumal er den
persönlichen Gegensatz zum »Neupreußen« Stein lebhaft empfand. Viele Standesgenossen wie

11 Politische Testamente (wie Anm. 8) S. 277.

12 Ebd. S.278.

13 Preußen. Zur Sozialgeschichte eines Staates. Katalog der Berliner Ausstellung Bd. 3: Die ständische
Agrargesellschaft S.23ff. F.L.Carsten: Die Entstehung des Junkertums. In: Moderne Preußische
Geschichte 1265/280; K. Hinze: Die Bevölkerung Preußens im 17. und 18. Jahrhundert nach Qualität und
Quantität. In: Moderne Preußische Geschichte I 306/310 mit »Generaltabelle der Einwohner der
Provinzen: außer Schlesien v. 1778.0. Büsch : Militärsystem und Sozialleben im alten Preußen 1713-1807.
Die Anfänge der Militarisierung der preußisch-deutschen Gesellschaft. Frankfurt (M), Berlin, Wien 1981.

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