Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0063
Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen

chen zunächst nach Teilnahme an der Kultur, die in der alten Gesellschaftsordnung von
Klerus und Adel beherrscht wurde. Die Bürgerlichen traten so in Konkurrenz mit dem Adel,
doch nicht nur im kulturellen Bereich, sondern in der weiteren Entwicklung auch im
öffentlichen Leben, vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet36. Die Emanzipation
des Bürgertums aus den überlieferten Ordnungen führte dahin, daß der Bereich der
Kultur zusehends der freien Gruppeninitiative der Bürgerlichen offenstand, und führte
allgemein zu einer Verbürgerlichung der Kultur37.

Das Emanzipationsstreben hatte ein gesteigertes Verlangen nach Informationen aus allen
Bereichen des Wissens und des gesellschaftlichen Lebens zur Folge. Ein starkes Bedürfnis
nach Meinungsaustausch, Information und Kommunikation entstand. Damit war eine Gruppenbildung
und ein Suchen nach Orten verbunden, wo diesem Bedürfnis nachgegangen
werden konnte38.

Hier liegt eine Wurzel der Vereinsbildung. Die Vereine boten Raum zur Diskussion und
zur Verfolgung des bürgerlichen Bildungsideals der Aufklärung. Gleichzeitig war die Vereinsbildung
eine Emanzipation vom obrigkeitlichen Staat und förderte auf diese Weise den
Individualisierungsprozeß. Eben dieser neu aufkommende Individualismus, in der Aufklärung
verhaftet, auf Vernunft und Autonomie des Individuums bauend, war eine weitere Voraussetzung
und Ursache für die Vereinsbildung. Einerseits war der Einzelne durch die Herauslösung
aus der Traditionswelt in eine gewisse Isolierung geraten, die das Bedürfnis nach einer
Gemeinschaft verstärkte. Andererseits konnte er, auf sich gestellt, seinem Bedürfnis nach
individuellem Zusammenschluß mit anderen zu Geselligkeit und Freundschaft selbst nachgehen39
.

In dieser Situation konstituierten sich die Lesegesellschaften in der zweiten Hälfte des
18.Jahrhunderts. Wie die Ausbreitung des Vereinswesens allgemein, war dieser Vorgang
zugleich ein Symptom der bürgerlichen Gesellschaft, wie er auch deren Entwicklung
beschleunigte40.

3.2. Die Lesegesellschaften des 18. Jahrhunderts

Es wurde versucht, den allgemeinen geistesgeschichtlichen Hintergrund zu beschreiben,
auf dem sich die Lesegesellschaften des 18. Jahrhunderts entfalteten. Diese Faktoren reichen
jedoch noch nicht aus, um das Entstehen der Lesegesellschaften zu erklären.

Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Anwachsen der Buch- und Zeitschriftenproduktion
zu verzeichnen, dem von sehen der Konsumenten steigende Nachfrage entgegenkam.
Dies ist einmal auf eine Ausweitung des Lesepublikums infolge der Aufklärung zurückzuführen
. Nicht mehr nur eine gebildete bürgerlich-adlige Oberschicht gehörte zu den Konsumenten
von Literatur, sondern die »Lesesucht« verbreitete sich zunehmend in allen gesellschaftlichen
Schichten. Zudem verwandelten sich auch die Lesegewohnheiten: »Anstelle der intensiven
Wiederholungslektüre trat allmählich die extensive, nach immer neuem Stoff verlangende
Lektüre«41.

Der Wunsch nach immer neuer Lektüre und Information wollte befriedigt sein. Doch bei

36 Vgl. dazu: Nipperdey (wie Anm. 13) S. 181, und Dann, Einleitung (wie Anm. 2) S. 13.

37 Freudenthal (wie Anm. 12) S. 38.

38 Vgl. dazu: Nipperdey (wie Anm. 13) S. 181.

39 Ebd., S. 180 ff.

40 Ebd., S. 182.

41 Vgl. dazu: Prüsener, Lesegesellschaften (wie Anm. 1) Sp. 372 und 379ff. Eine auf den neueren Stand
der Forschung gebrachte Zusammenfassung der Dissertation sei hier noch erwähnt: Marlies Stützel-
PrÜSEner, Die deutschen Lesegesellschaften im Zeitalter der Aufklärung. In: Dann, Lesegesellschaften
und bürgerliche Emanzipation (wie Anm. 2) S. 71-86, S. 71 f. Speziell zur Lesergeschichte und die
Wandlung vom intensiven zum extensiven Leser vgl.: Rolf Engelsing, Die Perioden der Lesergeschichte

61


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0063