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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0131
Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen

hunderts deutlich, deren Gründungsmotive Bildung und Geselligkeit waren, im Gegensatz zu
den frühen Lesegesellschaften, für die Lektüre und Bildung eine größere Bedeutung besaßen563
. Insofern ist die Museumsgesellschaft eine typische Ausprägung der Lesegesellschaften
im 19. Jahrhundert, die als gesellige Vereine zur Modeerscheinung jener Zeit zählten.

Es war die Oberschicht Sigmaringens, die Honoratioren der Stadt Sigmaringen und der
Nachbarschaft56*, die sich zur Gründung des Museums zusammenfand. Ihre soziale Zusammensetzung
spiegelt sich in den Mitgliederverzeichnissen wider, wobei vor allem die Verbundenheit
vieler Personen mit dem fürstlichen Hof und ein Mangel an »Freiberufstätigen«
bemerkenswert ist. Die Museumsmitglieder waren fürstliche Hof- und Regierungsbeamte,
Geistliche, Militärs, Lehrer, Ärzte, usw., kurz Menschen, die auf einen gewissen Grad von
Bildung Anspruch565 erheben konnten. Die Bildung und nicht der Stand war eigentlich das
Kriterium für die Zugehörigkeit. Man blieb aber »unter sich«, und neben den egalitären,
ständeübergreifenden Tendenzen sind elitäre Züge der Abgrenzung gegenüber niederen
Schichten festzustellen. Als Mittel zur Durchsetzung dieser Abrenzung diente das Aufnahmeverfahren
und die Höhe der Mitgliedsbeiträge, die mit 9 fl dreimal so hoch waren wie
diejenigen des Bürgervereins (3 fl)566. Diese Ausgrenzung unterer Schichten läßt sich auch bei
anderen Lesegesellschaften feststellen, die sich wie das Museum aus der jeweiligen städtischen
Oberschicht zusammensetzten567.

Eine besondere Bedeutung für die Museumsgesellschaft bekam die Förderung durch den
Fürsten, der selbst Mitglied war. Ein guter Teil des fürstlichen Interesses an der Gesellschaft
ist wohl auf den Willen zur Repräsentation zurückzuführen, wie dies u. a. auch die gleichzeitige
Einrichtung des Hoftheaters zeigt. Der Verein wurde jedoch recht freizügig, ohne große
Einmischung von fürstlicher Seite behandelt, was nicht selbstverständlich war, wie ein Blick
auf das Hechinger Museum verdeutlicht. Die Statuten zeigen, daß die dortige Museumsgesellschaft
einer starken Reglementierung unterworfen war: Die Mitgliedsaufnahme mußte vom
Fürsten genehmigt werden, und ein Teil des Vorstands wurde vom Fürsten ernannt568.
Demgegenüber entspricht die freizügige Behandlung des Sigmaringer Museums der patriarchalischen
, »für das Land sorgenden« 569 Haltung des Fürsten Anton Alois.

Auch in Sigmaringen wurde dem gebildeten Bürgertum ein (scheinbar) entpolitisierter
Freiraum gewährt, der der partiellen Emanzipation des Bürgertums auf kultureller Ebene
dienen sollte570.

Anhand des Bürgervereins läßt sich dann eine weitere Entwicklungslinie des Vereinswesens
verfolgen. Da die Museumsgesellschaft dem mittelständischen Bürgertum verschlossen
war, gründete dieses einen eigenen Verein. So waren die Mitglieder des Bürgervereins niedere
Beamte, (Hof-) Angestellte, Handwerker etc.571. Das »Absinken« des Vereinswesens in
niederere Schichten wird deutlich und damit eine Klassendiffenzierung zwischen Groß- und
Bildungsbürgertum und Kleinbürgertum572.

In ihrem Emanzipationsstreben orientierten sich die mittelständischen Bürger stark an der
Oberschicht: Sie übernahmen deren Organisationsform, nannten ihren Verein auch Bürger-

563 Vgl. Prüsener, Lesegesellschaften (wie Anm. 1) Sp.508ff. und Nipperdey, S. 177.

564 Mietvertrag mit dem Bärenwirt, 1825, zit. n.: Paeffgen (wie Anm. 17) S.34.

565 Vorschlag zu einem Museum, 1825, zit. n. Paeffgen (wie Anm. 17) S.4ff.

566 Vgl. Anhang.

567 Vgl. dazu: Nipperdey (wie Anm. 13) S. 186f. und Prüsener, Lesegesellschaften im Zeitalter der
Aufklärung (wie Anm. 41) S.78.

568 Vgl. hierzu: Statuten für das Museum in Hechingen, (Hechingen) 1830, I. und III. Abschnitt
(HBH012).

569 Seigel (wie Anm. 52) S. 85.

570 Vgl. Nipperdey (wie Anm. 13) S. 198f.

571 Vgl. oben, S. 95 f.

572 Vgl. dazu: Nipperdey, S. 186f. und Freudenthal (wie Anm. 12) S.459.

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