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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0164
Rainer Loose

3.5 Der Wald in der bäuerlichen Wirtschaft

Der Wald bildete in der Vergangenheit eine für die bäuerliche Wirtschaft wichtige Ressource,
ohne die sich die Lebenshaltung oft sehr viel dramatischer gestaltet hätte. In unseren Quellen
erkennen wir seinen Stellenwert u.a. daran, daß als Zubehör eines Hofes oder Hauses in
Langenenslingen und Billafingen sogenannte Gerechtigkeiten »in Holz und Feld« erwähnt
werden. Den Kreis der »Berechtigten« stellte in der Regel die Gesamtheit der älteren Höfe dar.
Sie verfügten über eine ungeteilte, volle »Gerechtigkeit«, im Gegensatz zu den oft jüngeren
Seidner- und Kleinhäuslerstellen, die teilweise nur eine halbe oder nur eine »Viertel« oder gar
keine Gerechtigkeit besitzen, wie dies 1609 bei dem herrschaftlichen hohenzollern-sigmaringi-
schen Forstmeister in Langenenslingen der Fall ist, dem die Gemeinde nicht gestatten will, an der
Waldweide teilzunehmen, nicht zuletzt weil er kein Mitglied der Gemeinde ist23.

Uber Umfang und Wert dieser Gerechtigkeiten sind wir unzulänglich unterrichtet24,
jedoch wird immerhin soviel ersichtlich, daß zu einer vollen »Gerechtigkeit« die Befugnisse
gehören, mit allem Vieh an der Waldweide teilzunehmen, Brenn- und Bauholz für den eigenen
Bedarf zu schlagen, Streu zusammenzurechen, Reisig zu schneiden, Beeren und Pilze zu
sammeln. Auch das »Eckerich«, d.i. das Mästen der Schweine mit Bucheckern und Eicheln,
wird dazugerechnet. Offenbar nicht darin begriffen war das Schälen der Eichen zum Zweck
der Lohrindengewinnung, das Gegenstand besonderer obrigkeitlicher Verleihungen war.
Außer diesen Nutzungen hatte der Wald in Zeiten der Not und des enger werdenden
Nahrungsspielraums im 18. Jahrhundert die Funktion, Landreserve für den Getreidebau zu
sein, entweder in Form echter Zurodungen oder in der Art von Waldäckern, sogenannten
Weitraiten25. Solche Weitraiten wurden durch Brandrodung gewonnen und umgebrochen,
ein, zwei, maximal neun Jahre hintereinander mit Veesen oder Hafer eingesät; danach sich
selbst überlassen, wuchsen sie aus den Stockausschlägen zu, um später erneut in unregelmäßigen
zeitlichen Abständen (9 bis 30 Jahre) gerodet zu werden.

Aus dem Billafinger Urbar26 von 1748 erfahren wir, daß die Gemeinde an verschiedenen
Plätzen im und am Wald herrschaftliche und eigene Weitraiten hatte, sogar auf Langenenslinger
Gemarkung im Wald Petzenhart schon vor 1568 eine Weitraite besaß, in der der Mayer von
Warmtal zwei Jauchert baute. Die anderen Weitraiten lagen auf dem äußeren Stephel veldt, im
Fleckle, in der gemeinen Wis (9 Jauchert), auf dem Äuchert (= Eichert), auf dem sogenannten
Kreitter veldt (21 Vi Jauchert). Bemerkenswert ist, daß diese Reut- oder Stockfelder nicht dem
Rhythmus und Anbauzyklus der Dreifelderwirtschaft unterworfen waren, sondern als Wechselfelder
immer nur nach Beschluß der Gemeinde263 an die Berechtigten verteilt und zum Anbau
freigegeben wurden. Außer dem normalen Grundzins an die Herrschaft und dem Zehnt, der der
Pfarrei Wilflingen, in Langenenslingen aber der dortigen Pfarrei zustand, wurden keine weiteren
grundherrlichen Gefälle entrichtet, nicht zuletzt wohl, weil die Erträge auf den kargen Böden so
dürftig ausfielen, daß der Zins, der 1568 noch die sechste Landgarbe war, im Laufe der
Generationen auf zwei Viertel (=42 Liter) Dinkel oder Hafer ermäßigt wurde. Die Frage, wie
lange die Weitraiten im 19. Jahrhundert bestellt wurden, können wir vorerst nicht präzis
beantworten. Es scheint aber, daß sie ihre Funktion mit den Bemühungen um die Allmendteilungen
und die Intensivierungen des Anbaus, d.h. um 1850, verloren.

Ausgespart aus der bisherigen Betrachtung blieb der Kondominatsort Burgau. Ob es dort

23 Vgl. Innsbrucker Vertrag vom 10. Mai 1609 betr. Beschwerden der Untertanen der Grafschaft
Veringen (Abschrift im StA Sig., Ho 170 Cb. 1, f.37r, §5).

24 Aus den Katasterakten von 1834 ff. für Langenenslingen (vgl. StA Sig. Ho 235 II-K, Nr. 83) geht
hervor, daß eine Holzgerechtigkeit den jährlichen Bezug von 4 Klaftern Brennholz plus Reisig meint.

25 Dazu Jänichen, 1970, S.210f.

26 Vgl. Renovation des Dorfs Billafingen 1748 (StA Sig., Ho 170, Cb. 1, f.248v).

26a Am 8. 10. 1829 beschloß die Gemeinde Billafingen, das innere und äußere Steffelfeld sowie das
Bannöschle auf 18Jahre unter die Bürger zu verteilen; 1836 gab sie auch die Gemeine Wies zur Nutzung
als Weitraite auf 18 Jahre frei (Gemeindearchiv Billafingen, n. 10 Dorfbuch, in StA Sigmaringen Dep. 4).

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