Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 15
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0017
Zum historischen Hintergrund des Walthari-Liedes

durchaus entsprechende Stammesname »Gallovari« in der Veroneser Völkertafel (XXIII21)
des beginnenden 4.Jahrhunderts. Dieser »germanische« Stammesname wurde bislang kaum
diskutiert, da ihn Müllenhoff1* durch »Verbesserung« der Diskussion entzogen hat: »das
Gallovari der Veroneser Völkertafel zwischen Franci und Jotungi wird in Cattovari =
Chattuari zu ändern sein.«

Der Name Wilheri wie die Namen Celtae/Keltoi deuten ebenso wie die bislang »Gallo-
Romanen« zugeschriebenen archäologischen Befunde Inneralamanniens15 auf die Existenz
eines hier ansässigen alamannischen Teilstammes hin, der auf die autochthone vor-elbgermani-
sche Bevölkerung zurückgeht. Im Windschatten der Burgunder hatte er sich gegen die
elbgermanische Landnahme im 3. Jahrhundert behaupten können. Wiederholte Niederlagen -
368 n. Chr. gegen die Römer bei Solicinio, 384 n. Chr. möglicherweise gegen die Hunnen -
hatten gegen Ende des 4.Jahrhunderts die Abwehrkraft der Wilheri so entscheidend
geschwächt, daß die Schwaben ihr Land okkupieren konnten. In Mitteldeutschland - in
Thüringen - ist bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts aus den archäologischen Funden dort eine
starke Bevölkerungszunahme nachzuweisen.16 Die elbgermanische Siedlungstätigkeit bricht
hier dann wenig später weitgehend ab; dieser Befund wird mit Abzug in das rechtsrheinische
Provinzialgebiet erklärt. Die Sage vermeldet auch die Niederlage der Burgunder gegen die
Eindringlinge: Wenig später entzogen sie sich der drohenden Umklammerung durch Elbgermanen
durch den Abzug zum Oberrhein. Die Wilheri dagegen blieben in ihrer Mehrzahl in
der angestammten Heimat zurück. Sie bilden das Substrat für den heutigen Stamm der
Schwaben17, für welchen das elbgermanische Superstrat den Namen lieferte.

Gibt auch das Walthari-Lied Hinweise darauf, daß der Stoff wie vermutet in der keltischen
Wilheri-Unterschicht Inneralamanniens entstanden und überliefert worden ist? Genzmer1*
verweist auf zwei Episoden darin, die weniger der germanischen als der keltischen Heldensage
nahestehen sollen:

- Walther widersteht der Kraft von vier Mann gleichzeitig (v. 1000);

- Hagen bechert und reißt Witze mit gespaltenem Gesichtsschädel (v. 1421).

linksrheinischen Gallien: Quellen zur Geschichte der Alamannen (wie Anm.4): Praxagoras (Bd. I, S.21),
Julianus (Bd.I, S.29, 30, 31), Libanios (Bd. II, S.9, 10, 11, 12), Themistios (Bd. IL, S.26, 30), Sozomenos
(Bd. II, S. 57), Zosimos (Bd. II, S. 64, 66, 70), Prokopios (Bd. II, S. 98). Zumindestens in älterer Zeit
bestand ein Bedeutungsunterschied. Bei Prokop wird die Abgrenzung unscharf: »keltoi, die jetzt galli
heißen.« Julian berichtet von seinen Kämpfen mit Kelten und Germanen und im Zusammenhang damit
von den Beschwernissen des Herzynischen Waldes, das heißt von rechtsrheinischen Gebieten.

14 Pauly-Wissowa: Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissenschaften: Stichworte »Gallovari
« und »Chasuari«.

15 Eine umfassende Literaturzusammenstellung gibt W.Schneider (wie Anm. 11). HeftXI: Beiträge
zur Archäologie. Tübingen 1984.

16 D.W.Müller: Die ur- und frühgeschichtliche Besiedelung des Gothaer Landes. In: Alt-Thüringen
17. 1980, S.19ff.

17 Zum Teil dürften Celtae auch versucht haben, dem Druck der Sueben durch Übertritt auf römischen
Boden auszuweichen. Davon zeugt vielleicht eine Stelle bei Ammianus Marcellinus, die allerdings nur
lückenhaft überliefert ist in Buch31, 10.4: »... prope tendentes cum petulant ... (?) celtae ...«.
Üblicherweise wird diese Episode als Überfall beutelustiger Lentienser auf ein Zeltlager von römischen
Truppen »Celtae et Petulantes« gedeutet (vgl. D. Hoffmann: Das spätrömische Bewegungsheer und die
Notitia dignitatum. 1969, S. 134 zu diesen Truppenteilen unbekannter Herkunft). Warum hätten marodierende
Alamannen, die über den zugefrorenen Hochrhein gekommen waren, ausgerechnet römische
Truppen angreifen sollen? Warum lagen hier auf römischem Boden diese Einheiten mitten im Winter
nicht in festen Quartieren? Wahrscheinlicher scheint, daß hier am Hochrhein Celtae auf römisches Gebiet
geflüchtet waren und in Notquartieren auf Landzuteilung warteten. Eine Parallele dazu bieten zur
gleichen Zeit die Goten an der unteren Donau; die Schikanen der römischen Bürokratie dürften sich
entsprochen haben. Die Lentienser überfielen ein Zeltlager dieser Asylbewerber (»Petulantes«), ihr
Angriff wurde von den Flüchtlingen unter Verlusten abgewehrt.

18 F. Genzmer (wie Anm. 3). S. 62 f.

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