Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 170
(PDF, 60 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0172
Casimir Bumiller

Die Jüdin Henlin (deren Vater leider nicht genannt wird, so daß wir sie familiär nicht
zuordnen können46) hatte den Hechinger Bürger Karl Schweickart geheiratet. Die Ehe
scheitert an religiösem Unverständnis und an der wirtschaftlichen Glücklosigkeit des Mannes
und wird 1566 geschieden. Sie dürfte allerdings mehr als 20Jahre gehalten haben (also wohl
vor 1546 geschlossen worden sein), denn der Ehe entstammte eine Tochter, die ihrerseits mit
dem Sohn Raphael des Rabbis David von Sulzburg verheiratet war.47 Obwohl die religions-
überschreitende Ehe der Henlin gerade wegen ihres außergewöhnlichen Charakters Aufmerksamkeit
verdient, interessiert uns zunächst das Gewöhnliche daran, der Vertragscharakter
eines solchen Eheschlusses. Denn hier kommen wir der sonst schwer faßbaren Stellung der
Frau in der jüdischen Gemeinschaft etwas näher.

Der patriarchalischen Familienauffassung der Juden steht im Ehevertrag (Ketuba) die
Hochachtung der Frau gegenüber: ... ich will für dich arbeiten, dich in Ehren halten, dich
ernähren und versorgen, nach der Sitte der jüdischen Männer™, verspricht der Mann bei der
Eheschließung und legt damit zugleich die wirtschaftliche Rollenverteilung fest. Gleichzeitig
fällt die fortgeschrittene Verrechtlichung und Objektivierung eines solchen Ehevertrages auf;
die symbolischen Gesten vermögen den ökonomischen Charakter der Eheschließung kaum zu
verbergen. Andererseits war gerade die rechtliche Fixierung aller in die Ehe gebrachten Güter
für die Jüdin Henlin letztlich die Grundlage, um aus ihrer gescheiterten Ehe mit Karl
Schweickart wieder mit Vorteil herauszukommen. Das Vermögen von 1420 Gulden, das ihr in
der gerichtlichen Auseinandersetzung zugesprochen wurde, weist Henlin als eine recht
wohlhabende Jüdin aus.

Henlins Eheauseinandersetzung gewährt uns auch einen kleinen Einblick in eine Hechinger
Stadtwohnung um die Mitte des 16. Jahrhunderts und in die Garderobe einer Jüdin. Die
Möblierung ihrer Behawsung, die auf 800 Gulden Wert geschätzt wurde, scheint hauptsächlich
aus Betten und Truhen bestanden zu haben.49 Eine kleine Truhe diente als Aufbewahrungsort
für Zins- und Schuldbriefe, Geldgeschäfte hatten also auch in diesem Haus eine Art
»Büro« erfordert. Auf dem Kasten, dem Speicher, befanden sich Korn und Getreide. Der
Reichtum und damit der Unterschied zum größeren Teil der christlichen Bevölkerung zeigte
sich aber offenbar weniger in der Wohnungsausstattung als vielmehr in einer reichen Garderobe
und in anderen Kostbarkeiten. Henlin besaß eine große Anzahl Schleier, Gürtel und
Kleider, darunter solche mit vergoldeten Knöpfen, dazu Schmuck wie goldene Ringe und
Hyazinthstein, ferner Gold, Silber und Silbergeschirr. Nicht zuletzt fallen die hebräischen
Bücher auf, die sie in die Ehe gebracht hatte. Das alles spricht dafür, daß Henlin einem sehr
reichen jüdischen Haus entstammte.

Unter den wenigen Frauengestalten, die in der Geschichte der jüdischen Gemeinde
Hechingen im 16. Jahrhundert ferner die Bühne betreten, fallen zwei wegen ihrer nicht
selbstverständlichen Selbständigkeit auf. Wenn es nach der jüdischen Auffassung für den
Mann üblich war, seine Frau zu ernähren und zu versorgen, dann fällt jene Jüdin Sara aus

46 Ihr Vater wird in der Quelle zwar erwähnt, scheint aber nicht identisch zu sein mit dem Juden
Nathan, der ihr zur Hochzeit Gold geschenkt hatte, dieser dürfte eher ein Verwandter gewesen sein. Vgl.
Otto Werner (wie Anm. 45) S. 46.

47 Ludwig David Kahn: Die Geschichte der Juden von Sulzburg. Müllheim 1969 S. 14 kennt noch zum
Jahr 1576 einen Rabbiner David in Sulzburg. Der bei Overdick (wie Anm. 39) S. 99f. erwähnte
Schulmeister in Sulzburg könnte bereits der fragliche David gewesen sein. Nach der freundlichen
Auskunft von Herrn Großpietsch vom Stadtarchiv Sulzburg war der 1546 bis 1577 nachgewiesene
Rabbiner David Blum ein bekannter jüdischer Rechtsgelehrter seiner Zeit.

48 Zitiert bei Otto Werner (wie Anm. 45) S. 39 nach dem Jüdischen Lexikon. Die einzige aus dem
Mittelalter erhaltene Ketuba (14. Jh.) ist abgebildet bei Therese und Mendel Metzger: Jüdisches Leben
im Mittelalter nach illuminierten hebräischen Handschriften vom 13. bis 16. Jahrhunden. Fribourg/
Würzburg 1983. S.232.

49 Über Haus und Mobiliar der Juden im Mittelalter siehe Metzger (wie Anm. 48) S. 89ff.

170


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0172