Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 173
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0175
Die jüdische Gemeinde Hechingen im 16. Jahrhundert

Burladingen. Beide sind jedoch 1560 aus der Grafschaft verzogen.63 Feiffel von Burladingen
war zugleich Metzger, also vielleicht der erste bekannte Schächter der jüdischen Gemeinde.
Wer ihm in diesem Amt folgte, ist nicht überliefert.

Die Heimat der Juden

Wir sind nun von verschiedenen Seiten immer wieder auf einen charakteristischen Zug der
jüdischen Sozialgeschichte (nicht nur des 16.Jahrhunderts64) gestoßen, den hohen Grad an
Mobilität und die feste Vernetzung der Juden mit Glaubensgenossen anderer Gemeinden. Da
kommen auswärtige Juden zu Besuch nach Hechingen, um hier das Passahfest zu feiern.
Hechinger Juden treiben Geld in Württemberg, Hohenberg, Eßlingen oder Biberach ein. Sie
prozessieren in Rottweil und vertreten selbst Juden aus Worms vor Gericht. Eine Hechinger
Jüdin heiratet den Rabbinersohn aus Sulzburg im Markgräflerland.

Zwischen den weit verstreuten jüdischen Gemeinden Südwestdeutschlands bestanden im
16. Jahrhundert offensichtlich enge Netze geschäftlichen Kontakts und verwandtschaftlicher
Beziehung. Letzteres könnte auch Verbindungen über weitere Entfernungen erklären. Warum
sollte ein Jude Capulman aus Worms gerade Lemlin Jud aus Hechingen zu seinem Anwalt
bestellen, wenn zwischen den beiden nicht Verwandtschaft oder gute Bekanntschaft bestünde?
Was hindert uns daran, in Capulman aus Worms jenen Copelman Jud wiederzuerkennen, der
1533 in Hechingen, 1538 in Owingen lebte und der vor 1544 Gläubiger gegenüber 83 zolleri-
schen Untertanen geworden war? Vielleicht hatte er nach der Ablösung der Schulden durch
den Zollergrafen die Herrschaft verlassen müssen und war schließlich in Worms gelandet.
Seine Beziehung zu den jüdischen Verwandten und Bekannten hatte er jedoch aufrechterhalten
.

Es tut sich hier ein weites und noch wenig beackertes Feld in der Forschung zur jüdischen
Geschichte auf. Eine geeignete Form der Veröffentlichung personengeschichtlicher Daten
zum südwestdeutschen Judentum im 16. Jahrhundert würde vermutlich in ungeahnter Weise
Material bereitstellen zur Biographie, Genealogie, Mobilität und letztlich zur Wirtschafts- und
Sozialgeschichte dieser bewegten Epoche in der jüdischen Geschichte.

So wichtig es aus Gründen der »inneren« Auseinandersetzung ist, daß sich die lokale
Geschichtsschreibung mit »ihren« Juden befaßt, so sehr verstellt dieser Ansatz doch den Blick
auf die Tatsache, daß die Juden die Identifikation mit ihrem jeweiligen Wohnort aus inneren
und äußeren Gründen oft nicht entwickeln konnten. Ihre »Heimat« waren zunächst Familie,
Haus, Sippe und Gemeinde und dann wegen der überregionalen Beziehungen und Versippung
das Netz jüdischer Gemeinden und Einzelpersonen, zu. denen wie auch immer geartete
Beziehungen bestanden. Den jeweiligen Wohnort als Heimat zu empfinden, das verhinderten
immer wieder die schlechten Erfahrungen, die Juden zu allen Zeiten hatten sammeln können.
Kaum eine Stadt oder Herrschaft hat ihren »Schutzjuden« je mehr als zwei Generationen lang
unbehelligt Aufenthalt gewährt. Angesichts solcher Abhängigkeit von herrschaftlicher Willkür
und christlicher Gnade vertrauten die Juden zwangsläufig eher auf ihre Religion und ihre
inneren sozialen Bindungen.

Spannungen im jüdisch-christlichen Berührungsfeld

Eine eigentliche Geschichte der Judenverfolgung steht noch aus. Gemeint ist damit nicht
so sehr eine Geistesgeschichte des Antisemitismus oder eine ereignisgeschichtliche Zusammenstellung
der historisch faßbaren Verfolgungswellen, sondern darüber hinaus eine Untersu-

63 StAS FAS DH 128,44.

64 Man betrachte etwa das mittelalterliche jüdische Namenmaterial mit Herkunftsbezeichnungen bei
Steinberg (wie Anm.45) S.5-11.

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