Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 183
(PDF, 60 MB)
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Die jüdische Gemeinde Hechingen im 16. Jahrhundert

in Hechingen bereits mit dem Regierungsantritt des neuen Grafen 1576 untergegangen ist; in
diesem Jahr verließ etwa der Arzt Salomon die Stadt Hechingen.

Graf Eitelfriedrich IV. von Hohenzollern-Hechingen ist unter den Zollergrafen des
16. Jahrhunderts, die interessanteste Gestalt; ihm ist auch als einzigem eine jüngere biographische
Studie gewidmet.114 Dem kunstsinnigen Grafen verdankt Hechingen die bemerkenswerte
Kirche St. Luzen und ein gewaltiges Renaissance-Schloß mit einer als großartig beschriebenen
Schloßkapelle. Den Kontrast zum Glanz seines Hofes, der sich in jeder Beziehung mit dem
anderer Fürstenhöfe im späten 16. Jahrhundert messen konnte, bildete eine rigide Landespolitik
, die der schmalen ökonomischen Basis dieses kleinen Territoriums Reichtümer abzutrotzen
versuchte, die es schlechterdings nicht besaß. Die großartigen Kompositionen eines
Leonhard Lechner oder eines Ferdinand di Lasso, denen der Graf in seinem Schloß lauschte,
waren insofern von erheblichen Dissonanzen begleitet: von den Verwünschungen zollerischer
Untertanen angesichts der extremen Frongelderhöhungen von 1592, vom Mordio der Owin-
ger Bauern im ersten zollerischen Aufstand von 1584, von den Klagen der armen Leute, die im
großen Stil ausgewiesen wurden und von den Qualen jener Frauen, die der ersten Welle der
Hexenverfolgung in Hohenzollern zum Opfer fielen.115 In dieses Spektrum repressiver Politik
gehört auch die Ausweisung der Juden.

Aber Eitelfriedrich war natürlich geprägt von der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung
seiner Zeit und von den Änderungen der Mentalität im konfessionellen Zeitalter. Die
großen Territorien und Städte verfügten inzwischen über einen christlichen Kaufmannsstand
und über ein Bankwesen, das die traditionelle Funktion der Juden übernehmen konnte. Man
bedurfte ihrer aus wirtschaftlichen Gründen also nicht länger. Selbst im kleinen Hohenzollern
-Hechingen lag der Handel im späten 16. Jahrhundert schließlich in der Hand alteingesessener
christlicher Familien.116

In dem Maß wie die Juden wirtschaftlich entbehrlich wurden, änderte sich der Ton im
Umgang mit ihnen, dies noch genährt durch einen religiösen Eifer, der den Stil der Kommunikation
auch zwischen den christlichen Konfessionen gelegentlich bis zur Bösartigkeit steigerte
. Es ist geradezu ernüchternd, die intolerante Haltung der großen Humanisten von Celtis
über Zasius bis hin zu Erasmus zu verfolgen.117 Unter den großen Gelehrten der Zeit war

Exodus nach Polen bevor oder aber den ärmeren unter ihnen der Weg in die Illegalität, worauf Rudolf
Glanz: Geschichte des niederen jüdischen Volkes in Deutschland. New York 1968 und Helmut
Reinicke: Gaunerwirtschaft. Die erstaunlichen Abenteuer hebräischer Spitzbuben in Deutschland. Berlin
1984 hinweisen. Unter den Räubern ist mir jedoch bisher nur ein Smia Jacob bekannt geworden, der im
dritten Viertel des 16. Jh. im Raum Stühlingen/Schaffhausen mit einer Bande unterwegs war (StAS Ho 1
Nr. 907 fol. 9ff.). Im hehlerischen Umfeld von Räuber- und Diebesbanden sind Juden jedoch regelmäßig
und in großer Zahl anzutreffen; freundliche Mitteilung von Monika Spicker-Beck, die an einer Dissertation
über Räuberbanden im 16. Jh. arbeitet. Insgesamt ist jedoch zu vermuten, daß selbst bei einer
Zerschlagung der Hechinger jüdischen Gemeinde einzelne reiche Juden die Ausweisung überstanden
haben, wie dies in allen anderen Herrschaften, die Juden auswiesen, auch zutraf.

114 Walter Bernhardt: Graf Eitelfriedrich I. von Hohenzollern-Hechingen (1545-1605). In: Zeitschrift
für Hohenz. Geschichte 12 (1976) S. 29-97.

115 Zu diesen Aspekten der zollerischen Politik im späten 16. Jh. siehe Eberhard Elbs: Owingen 1584.
Der erste Aufstand in der Grafschaft Zollern. In: Zeitschrift für Hohenz. Geschichte 17 (1981) S. 9-127;
Casimir Bumiller: »Ich bin des Teufels, wann er nur käm und holte mich!« Zur Geschichte der
Hexenverfolgung in Hohenzollern. In: Hohenz. Heimat 33 (1983) S. 2—7 und ders.: Eine »untertänige
Supplikation an den gnädigen Herren Grafen« von 1591. In: Hohenz. Heimat 36 (1986) S. 10-12.

116 Die stichprobenmäßige Sichtung der Handwerker- und Tagelöhnerabrechnungen von Dez.
1588-Juli 1589 (StAS Ho 1 Nr. 903 foll. 184 ff.) belegt als Krämer ausschließlich den Wirt Jerg Bulach, der
den Hof Eitelfriedrichs in dieser Zeit mit Barchant, Futtertuch, Seidenschnüren, Pantoffeln, Stockfisch,
Hering, Eisenstangen, Kupferwasser, Unschlitt, Terpentin und Wein versorgt, um nur eine Auswahl
seiner Waren zu nennen. Diese Abrechnungen sind fälschlich unter die Kriminalakten geraten.

117 Vgl. Güde (wie Anm.68) S.9-15.

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