Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 222
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0228
Rainer Loose

Klasse ausreichend, zumal wenn man ihnen Zeitungen, abgelegte Wochenblätter, gedruckte
Verordnungen und Gesetze als Ergänzung des Lesestoffs zur Verfügung stelle. Ein völlig
neues, in Hohenzollern verlegtes Lesebuch sei nicht anzustreben, da die pädagogische Welt zu
Recht etwas Außerordentliches erwarte, was bey so ungeheuren Vorarbeiten unmöglich ist.
Dennoch glaubte Mercy, nicht auf die Nennung eines geeigneten Verfassers verzichten zu
dürfen. Wenn die Regierung tatsächlich auf einem die besonderen Verhältnisse Hohenzollerns
berücksichtigenden Lesebuch beharre, so solle sie den Pfarrer Franz Xaver Waldraff18 aus
Langenenslingen mit der Texterstellung beauftragen. Pfarrer Waldraff sei ein solider Mann,
der sich selbst verleugnen, allem Ruhm entsagen (kann). Als intimer Kenner der beiden
hohenzollerischen Fürstentümer werde er gewiß der gestellten Aufgabe gerecht. Zweifellos
war Pfarrer Waldraff ein in Hohenzollern bekannter Seelsorger und tätiger Pädagoge. Von
seinen Vorschlägen zur Verbesserung des Schulwesens sind manche Ideen in die Schulverordnungen
nach 1810 übernommen worden, so 1820 die Einrichtung von Schulkonferenzen, die
der Fortbildung und dem Erfahrungsaustausch unter den Lehrkräften eines Schulbezirks
dienen sollten19. Überdies machte er in Aufsätzen und Mitteilungen im »Wochenblatt für das
Fürstenthum Sigmaringen«, dem amtlichen Mitteilungs- und Verordnungsblatt, auf Probleme
der Bevölkerung aufmerksam, und er korrespondierte mit Ignaz Heinrich von Wessenberg,
für dessen »Pastoral-Archiv« er ebenfalls Beiträge schrieb20.

Die Sigmaringer Regierung freilich folgte dieser Empfehlung nicht. Gründe und Hintergründe
bleiben im Verborgenen. Vermutlich fehlte es, wie so oft in dieser Zeit, am Geld. Denn
die mit dem Wettbewerb angestrebte Lösung, mit einheitlichen Schulbüchern in allen Schulen
des Fürstentums den bisherigen Wirrwarr zu beseitigen, ließ weiter auf sich warten. Die
Schulvisitationsprotokolle der Jahre bis 1820 beklagen diesen Mangel heftig. Immer wieder
werden die uneinheitlichen Lesebücher als Hauptursache für die schlechten Leistungen der
Schüler beim Lesen und Schreiben genannt. Sicherlich nicht ganz zu Unrecht!

Außer Vorstellungen über Inhalt, Form und Kosten eines neuen Lesebuches für die
hohenzollerisch-sigmaringischen Elementarschulen enthält das Gutachten des Pfarrers Wilhelm
Mercy noch eine interessante Replik zum Verhältnis Lehrer-Eltern, das sich am Problem
des Fernbleibens vom Unterricht offenbart. Laut Schulordnung von 1809 waren die Lehrer
nämlich gehalten, über das Fernbleiben der Kinder vom Schulunterricht genaue Monatstabellen
zu führen, in denen auch Gründe aufgeführt werden mußten. Wiederholtes eigenmächtiges
Schuleschwänzen sollte mit saftigen Geldbußen gestraft werden. Da die meisten Kinder in
Gruol unentschuldigt wegblieben, weil sie auf dem Feld oder im Haus mithelfen mußten,
ergaben sich ständige Konflikte zwischen Eltern, Lehrer und Gemeinde, vor allem, wenn die
Bußen eingetrieben werden sollten. Mercy hält diese Vorschrift für unangemessen, da sie in
der verarmten Bevölkerung nur zu Zwietracht führe. Besser sei es, wenn dem Pfarrer als
Schulaufseher diese Aufgabe übertragen werde, da er am besten in der Lage sei, zu entscheiden
, ob Schulversäumnisse aus Not oder aber böswillig geschähen. Die Schulstrafen seien nur
bei Böswilligkeit angebracht. Sie eintreiben könne der Lehrer aber nicht, da er viel zu sehr
beim Gehalt von der Gemeinde abhänge. Tatsächlich weisen die Schulakten Fälle auf, in denen
die Gemeinden als Schulträger dem Lehrer das Gehalt kürzten oder aber verspätet auszahlten,
was nicht nur auf leere Gemeindekassen zurückzuführen ist, sondern eher ein Indiz für ein
gestörtes Verhältnis Lehrer-Gemeinde ist.

18 Franz Xaver Waldraff, geboren 17. Dez. 1771 in Sigmaringen, gestorben 5. Juni 1837 in Haigerloch;
ordiniert 4. April 1795, danach Kapitelsvikar in Meßkirch, Vikar in Vilsingen und Sigmaringen, Pfarrer in
Trillfingen, 1806 Pfarrer in Langenenslingen, seit 1816 Stadtpfarrer und Kapitelsdekan in Haigerloch. Vgl.
König: Necrologium Friburgense. In: Freiburger Diözesanarchiv 16 (1883) S. 316.

19 StA Sigmaringen, Bestand Ho 80a, C.II.11, Nr. 10, datiert Langenenslingen, 13.Juli 1813.

20 Vgl. Binder (wie Anm. 5) S. 204.

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