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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0012
Hans-Dieter Lehmann

Uber den Verbleib von vorgermanischer Bevölkerung im Land nach dem Abzug Roms gibt
es recht unterschiedliche Ansichten. Weller5 und Schmidt'' hatten aus dem Abbruch der
römischen Provinzialkultur auf eine völlige Vernichtung oder Vertreibung geschlossen.
Christlein4 dachte bei Romanen allenfalls an verschleppte Reichsangehörige, nicht aber an die
schon vor der Mitte des 3.Jahrhunderts hier ansässige Bevölkerung. Dürftige archäologische
Funde und die Existenz von vorgermanischen Flußnamen hatten Hertlein7, Veeck*, Wais9,
Boelcke* und andere hingegen zur Annahme bewogen, daß die germanische Landnahme um die
Mitte des 3. Jahrhunderts für die Unterschichten römischer Zeit nur einen Wechsel der Herren
gebracht hätte. Nur die romanisierte Oberschicht sei mit dem römischen Heer abgezogen.

Über den Stand der gängigen Lehrmeinungen und über die offenen Probleme hat Geue-
nich10 einen Überblick gegeben. Ausdrücklich warnte er vor einer Verallgemeinerung von
Erkenntnissen aus den alamannischen Reihengräbern auf den Zeitraum, der vor dem Beginn
dieser Bestattungssitte liegt und dessen Probleme er als bislang unbefriedigend geklärt
herausstellt. Nach Eoelckei ist für die Auswertung der Reihengräber zur Abschätzung der
alamannischen Volkszahlen zu beachten, daß auf den alamannischen Friedhöfen des 6. Jahrhunderts
die Unterschichten noch nicht zu finden sind. Die Aufnahme dieser Toten in Reihenfriedhöfe
im 7. Jahrhundert hat zu dem Trugschluß einer plötzlichen Bevölkerungsexplosion
geführt. Die anthropologischen Erkenntnisse", das Vorkommen zahlreicher kleinwüchsiger
Bestattungen, lassen sich mit der Verschleppung von Romanen in der Frühzeit oder mit
Umsetzungen in merowingischer Zeit allein nicht erklären.

Die auffallende Fundarmut in Inneralamannien im 3. und 4. Jahrhundert hat noch keine
überzeugende Erklärung gefunden - besonders dort nicht, wo Siedlungsaktivität belegt, ihr aber
keine Funde zugeordnet werden können wie z. B. in den Ruinen der Römervilla von
Hechingen-Stein n.

Volkreiche alamannische Stämme sind von römischen Autoren für das 4. Jahrhundert in den
südlichen Landesteilen des heutigen Baden-Württemberg bezeugt. »Lentienses« und »Brisi-
gavi« sind Bezeichnungen für Menschen nach den Landschaften, in welchen sie ansässig sind:
nach dem Linzgau und dem Breisgau. Im Breisgau haben Grabungsbefunde - z. B. am
Zähringer Burgberg - die römischen Berichte bestätigt13. Die Art der Benennung - nach dem
Gau - ist typisch germanisch. In Inneralamannien hingegen fehlt in der Frühzeit die
archäologische Hinterlassenschaft von elbgermanischem Charakter. Derartige Funde sind
vereinzelt unmittelbar an den spätrömischen Reichsgrenzen aufgetaucht und belegen Ansied-
lungen in Reichweite der römischen Grenzwachen z.B. am Hochrhein14.

Man hat die Fundleere in Inneralamannien mit einer Unstetigkeit der Ansiedlung in der
Frühzeit zu erklären versucht. Diese Erklärung ist unlogisch: wo gesiedelt wurde, sind auch bei

4 R. Christlein: Die Alamannen. 1979. S.27ff., S. 123f., Karte S.23.

5 K. Weller: Besiedelungsgeschichte Württembergs vom 3.-13. Jahrhundert. 1938. S. 61.

6 L.Schmidt: Geschichte der deutschen Stämme bis zum Ausgang der Völkerwanderung. Teil2. 1940.
S.24.

7 F. Hertlein: Die Römer in Württemberg. Teil l. 1928. S. 155.

8 W. Veeck: Die Alamannen in Württemberg. 1931. S. 124 ff.

9 G. Wais: Die Alamannen in ihrer Auseinandersetzung mit der römischen Welt. 1944. S. 141 ff.

10 D. Geuenich: Zur Landnahme der Alamannen. In: Frühmittelalterliche Studien 14 (1982) S.25ff.

11 R. Straub: Zur Kontinuität der voralamannischen Bevölkerung. In: Badische Fundberichte20 (1956)
S. 127».

12 H.Reim: Der römische Gutshof bei Hechingen-Stein, Zollernalbkreis. 1982. S.62.

13 G.Fingerlin: Der Zähringer Burgberg, eine neuentdeckte Höhensiedlung der Völkerwanderungszeit
. In: Die Zähringer, eine Tradition und ihre Erforschung. 1986. Teil 1, S. 1 ff.

14 W.U. Guyan: Frühgermanische Bodenfunde im Kanton Schaffhausen. In: Provincialia. Festschrift
R. Laur-Belart. 1968. S. 582 ff.

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