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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0020
Hans-Dieter Lehmann

Vorgängen in und nach der Schlacht auf dem »Alamannenberg« in Verbindung gebracht zu
werden.

Rottenburg: Nach Birlinger und Buck^ weiß man 1861 in Rottenburg von einem
verschwundenen Reiter und dessen kostbarer Rüstung zu erzählen. Uber den Ort, wo er
verschwunden sein soll, ist man sich nicht einig. »Neueren Ursprungs scheint die Sage von
dem goldenen, mit Edelsteinen geschmückten Helm, der im Kesselbrunnen, nach anderen in
der Niederung zwischen Wendelsheim und Wurmlingen liegt. In der Alemannenschlacht beim
alten Solicinium soll ein Kämmerling des Kaisers Valerian (sie!) damit im Sumpf stecken
geblieben sein«. Mit diesen Worten verweist bereits 1899 Entreß4b die Rottenburger »Sage« in
das Reich der Gelehrtenfabel. Sie kann erst nach der Identifizierung von Solicinio mit Sülchen/
Sumelocenna durch Leichtlen2*, d.h. nach 1825 entstanden sein.

Wenn auch nicht echt und alt, sie wäre gut erfunden und denkbar, wenn man an eine bis in
das 4. Jahrhundert zurückgehende Tradition glaubt. Eigenartigerweise gibt es nun auch für
den hier vorgelegten Lokalisierungsvorschlag »Beuren« eine analoge Überlieferung, die auf
dieses Ereignis in der Alamannenschlacht von 368 n. Chr. abheben könnte. Der Einwand, daß
die lokale Sage erst nach der Diskussion der Historiker entstanden ist, den Entreß zu Recht
gegen die Rottenburger »Sage« vorgebracht hat, trifft für die entsprechende Tradition auf der
Albhochfläche nicht zu. Die Volksüberlieferung dort ist fast ein Jahrhundert vor der hier zur
Diskussion gestellten Zuordnung schriftlich dokumentiert:

Melchingen: Schon 1894 überliefert Egler47 eine Sage über das »Kriegerloch«, eine
Felskluft bei der Ruine Hohenmelchingen: Hier sei ein goldener Helm verschüttet.

Nochmals sei auf den Verbleib von Kämmerer und kaiserlichem Helm eingegangen. Nach
Ammian sind beide spurlos im Sumpf verschwunden. Auch in römischer Zeit gab es in unserer
Gegend keine Roß und Reiter verschlingenden Sümpfe, selbst wenn dies zum festen Bestandteil
der römischen Vorstellungen von Germanien gehört haben mag. Wenn nun nach dem
zeitgenössischen Bericht Kämmerer und Helm spurlos verschwunden waren, dann sind sie
den Alamannen in die Hände gefallen und noch vor dem Kampf weggeschafft worden. In der
berichteten Ruhepause vor der Schlacht wurde die Beute über die »Staig« auf die Albhochfläche
in Sicherheit gebracht. Dies ist naheliegend, da der kaiserliche Erkundungsritt zur
Beurener Heide durch das sumpfige Tal des Heiligenbaches bei Schlatt (Schlatt = Ortsname in
der Bedeutung »sumpfige Stelle, wo Binsen wachsen«) stattgefunden hat. Mit einiger Phantasie
läßt sich ausmalen, was in der gegebenen Situation mit der Beute geschehen sein mag:
Konfrontiert mit dem römischen Heer als weit überlegenem Gegner war den Alamannen das
Kostbarste gut genug als Opfer für die Götter. Als Versicherungsprämie der heidnischen Welt
mögen Helm - und vielleicht auch Kämmerer - in einem Opferschacht, einer natürlichen
Felskluft verschwunden sein.

Die Melchinger Überlieferung entspricht durchaus der Rottenburger Fiktion. Die Distanz
von ca. 10 km vom Kriegerloch bis zum Sumpf am Heiligenbach spricht nicht gegen die
Annahme. Während allerdings die Rottenburger Gelehrtenfabel die Ammiansche Ausrede
zum Verschwinden von Reiter und Helm kritiklos aufnimmt, erfordert die Melchinger
Tradition eine Interpretation. Ich wiederhole: Das Geschichtswerk des Ammianus war für die
öffentliche Lesung in Rom bestimmt. Der Verlust war deshalb besser dem gängigen Klischee
von den germanischen Sümpfen und nicht dem Leichtsinn des Oberbefehlshabers anzulasten.
Die Kritik an der Selbstüberschätzung des Kaisers, der den Zugang zum Berg in eigener
Person und mit unzureichender Begleitung erkundet hatte, bleibt aber bei Ammian unüber-
hörbar.

45 A. Birlinger, M.R. Buck: Volksthümliches aus Schwaben. 1861. S.229.

46 Entress, Rauch. In: Beschreibung des Oberamts Rottenburg. 1899. S. 183.

47 L. Egler: Mythologie, Sage und Geschichte der hohenzollernschen Lande. 1894. S. 238.

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