Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0024
Hans-Dieter Lehmann

Keltenbezeichnungen in spätantiken Quellen

In den Anfang des 4.Jahrhunderts wird die Veroneser Völkertafel54 datiert. Sie zählt die
Barbarenstämme auf, die während der Kaiserzeit erstarkt sind: »barbarae gentes, quae
pullulaverunt sub imperatoribus: ... Cati, Burgunziones, Alamanni, Suevi, Franci, Gallovaci,
Jotungi, Armilausini, Marcomanni, Quadi« (S. XIII54 - restituit Muellenhoffius: Nr. 8: Franci,
Nr. 9: Chattuarii). Hier interessieren die sonst unbekannten »Gallovaci«, die als Nr. 21 mit
den Franken (Nr. 20) zusammen in die Aufzählung der elbgermanischen Stämme von »Ala-
mannen« bis »Quaden«, in der Reihenfolge ihrer Sitze nach Osten genannt, etwas unmotiviert
eingeschoben erscheinen. Nach Pauly's Real-Encyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
Bd. 3. 1899, Sp.2196, sollen die »Gallovari« ein germanisches Volk sein. Seine Existenz
als ein eigenständiger Stamm hat Mullenhofp4 mit einem Federstrich ausgelöscht. Er »verbesserte
« zu »Cattovari« und setzte diese mit den »Chattuari« am Niederrhein gleich. Bislang
scheint diese Vergewaltigung des Textes ohne Widerspruch geblieben zu sein. Einer Korrektur
zu »Gallovari« ist ohne weiteres zu folgen. Die darüber hinausgehende »Verbesserung«
Mullenhoffs aber ist ein Irrtum.

Bereits Miillenhoff^ hatte bei dem Namen Wilheri an Walchen/Welsche gedacht, aber die
Ableitung aus germanisch »Walha« für unwahrscheinlich gehalten. Ich möchte den Namen von
»Walha-varii« abgeleitet sehen, d.h. von einer germanischen Bezeichnung im Sinne von »Kelten-
Krieger«, gebildet analog Baio-vari, Chatt-uari, Raeto-bari und anderen Stammesnamen. Daß
die germanische Endung -warjoz auch für nichtgermanische Gruppen verwendet worden ist,
zeigt die Benennung der Römer als »Rumware«55. Die Abwandlung von Walh- zu Wil- findet
sich im Personennamen Wilfried aus Walahfried. Eine entsprechende Vokalaufhellung zeigt
wahrscheinlich der in der Schwaben-Origo genannte Ortsname »Wilzin«. Er würde dann dem
heutigen Welzheim entsprechen, welches urkundlich 1181 erstmals als Wallenzin genannt wird.

Mit den Gallovari erscheint zwischen den germanischen Stämmen vor den römischen
Grenzen an Rhein und Donau ein Stammesname, der völlig dem der oben erschlossenen
»Walhavarii«, d.h. dem der Wilheri der schwäbischen Herkunftssage, entspricht, nämlich als ein
lateinisches Pendant in der Bedeutung »Keltenkrieger« oder »Bewohner des Keltenlandes«.

Gibt es in der spätantiken Literatur weitere Hinweise auf späte Kelten in der Alamannia?
Die Durchsicht der Quellen zur Geschichte der Alamannen läßt solche Hinweise mehrfach
erkennen53.

Mindestens sechs Autoren - Ammianus Marcellinus lateinisch, Julianus, Libanios, Sozo-
menos, Zosimos und Prokopios griechisch schreibend - benutzten sowohl die Ausdrücke
»celtae« bzw. »galli« als auch »keltoi« bzw. »galatai«. Die frühen Autoren scheinen zwischen
den Bezeichnungen durchaus Unterschiede zu sehen; erst sehr spät - im 6. Jahrhundert -
verwischen sich diese bei Prokop, wenn er von »keltoi« berichtet, die jetzt »galloi« hießen (De
aedificiis IV,5.9, S.98)53. Gesichert scheint, daß von »galli«, »gallicani« oder von »galatai« in
Mitteleuropa immer dann gesprochen wird, wenn von Bewohnern der linksrheinischen
römischen Provinz die Rede ist. Sofern überhaupt eine geographische Zuordnung für die als
»celtae« oder »keltoi« bezeichneten Stämme möglich ist, sind rechtsrheinische, in unmittelbarer
Nachbarschaft zu Germanen hausende Völker gemeint. Noch Prokop verwendet den
durch die Beifügung »galloi« unscharf werdenden Ausdruck im Zusammenhang mit dem
Raum am Ursprung der Donau, d.h. mit einem Gebiet, das außerhalb der spätrömischen
Grenzen liegt. Julian (Misopogon 30, S. 30)53 berichtet von seinen Kämpfen mit »keltoi« und
Germanen und im Zusammenhang damit von den Beschwernissen des Hercynischen Waldes.
Er unterscheidet säuberlich, wenn er angibt, daß das Land jenseits der Alpen gegen Westen
von Galliern (»galatai«), im Norden dagegen, wo die Quellen des Rheins und der Donau sind,

54 Notitia Dignitatum. Latercula Provinciarum. Hrsg. von O.Seeck. Nachdruck 1962. S. 251.

55 W.Foerste: Die germanischen Stammesnamen auf -varii. In: Frühmittelalterliche Studien3 (1969)
S.6ff.

22


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0024