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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0027
Die dunklen Jahrhunderte

Schlußfolgerungen

Aus Gebieten an der Mosel und im Alpenvorland sind zahlreiche Namen romanischen
Ursprungs bekannt. Sie belegen dort das Weiterleben romanischer Volksreste in deutscher
Umgebung im frühen Mittelalter. Kleiber57 hat im Schwarzwald galloromanische Namen
festgestellt, nicht dagegen im Altsiedeiland östlich davon. Dieses erwies sich extrem arm an
romanischen Relikten; es ist ein recht konservatives Gebiet, in welchem eine Schicht sonst
seltener althochdeutscher Ausdrücke vorkommt58. Gerade im Süden stören hier die Walhen-
Namen das Bild einer »Germania germanicissima«, das Kleiber59 vorsichtigerweise mit einem
Fragezeichen versehen hat.

Allgemein wird heute akzeptiert, daß die landnehmenden Germanen eine hier ansässige
Vorbevölkerung vorfanden und unterwarfen. Wenn das Fehlen sprachlicher Relikte hier gegen
Galloromanen spricht und das Fehlen eindeutiger germanischer Funde des 3. und 4. Jahrhunderts
gegen die Vermutung von Elbgermanen als deren Herren - wer verbirgt sich dann hinter
den hier ansässigen »frühen Alamannen«? Als einzige Alternative bleiben die Celtae/Keltoi
der antiken Autoren, die in anderen Quellen als Gallovari und Wilheri auftreten. Sie sind die
Nachfahren der hier schon seit Jahrhunderten ansässigen Kelten. Diese Bevölkerung hatte
unter mediterranem und vielleicht östlichem Einfluß ihre Glanzzeit in der Hallstatt-Epoche
gehabt60. In den darauffolgenden unruhigen Jahrhunderten der keltischen Wanderungen war
dieser Raum zu einer konservativen Insel geworden. Als im 1. Jahrhundert vor Christus die
nördlich benachbarten gallischen Stämme unter dem Druck der Germanen in die Nordschweiz
abwanderten, blieben diese Volcae oder Walha ihre Gegner jenseits der Rheingrenze.
Diese transrhenanischen Feinde der Helvetier wurden von Caesar aus durchsichtigen innenpolitischen
Gründen als Germanen bezeichnet - zu Unrecht, wie Tacitus (Germania 29) noch
für das Ende des 1. Jahrhunderts nach Christus ausdrücklich feststellt. In dieser Bevölkerung
waren auch die aus dem römisch besetzten Gallien gekommenen Flüchtlinge aufgegangen, die
Tacitus erwähnt, und später noch Kelten, die erst unter römischer Herrschaft ins Land kamen.
Für eine völlige Romanisierung hat aber die kurze Zeit der römischen Besetzung nicht
ausgereicht, vor allem nicht im Hinterland, fern der Militärgrenze.

Mit dem römischen Heer ist um die Mitte des 3.Jahrhunderts auch die romanisierte
Oberschicht abgezogen; geblieben sind die nicht romanisierten Unterschichten. Unter germanischem
Druck und Einfluß organisierten sich diese »frühen Alamannen« im südlichen Baden-
Württemberg als alamannische Teilstämme. Im südlichen rechtsrheinischen Südwestdeutschland
sind die Alamannen der Frühzeit somit weder Germanen noch Romanen. Die Alamannen
sind nach dem Zeugnis des C. Asinius Quadratus61 aus dem 3. Jahrhundert ein zusammengewürfeltes
Volk, im Norden und Osten Germanen, im Süden allem Anschein nach vorwiegend
einheimisch-keltischen Ursprungs.

Erst mit der suebischen Landnahme am Ende des 4. Jahrhunderts wird das Land zwischen
Schwarzwald und oberster Donau von Osten her von Germanen überflutet. Die germanische
Überlagerung am Oberrhein dagegen erfolgte von Norden. In diesen Gebieten resultiert somit
das Deutschtum aus der Verschmelzung eines elbgermanischen Superstrats mit einem autoch-

57 W. Kleiber: Auf den Spuren des voralemannischen Substrats im Schwarzwald. In: Zeitschrift für die
Geschichte des Oberrheins 108 (1960) S. 305 ff.

58 P.V.Polenz: Landschafts- und Bezirksnamen im frühmittelalterlichen Deutschland. Bd. 1. 1961.
S. 201 ff.

59 W. Kleiber: Zwischen Antike und Mittelalter. Das Kontinuitätsproblem in Südwestdeutschland im
Lichte der Sprachgeschichtsforschung. In: Frühmittelalterliche Studien 7 (1973) S. 50.

60 K. Spindler: Die frühen Kelten. 1983.

61 Agathias von Myrina: Historiae 1,6.3 In: Quellen zur Geschichte der Alamannen (wie Anm. 53)
Bd. 2. S.80.

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