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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0169
Der Niedergang der Reichserbtruchsessen von Waldburg-Friedberg-Scheer

1. EINLEITUNG*

»Ergo, quid consilii?«. So fragte der Scheerer Rentmeister Breinl am 29.März 1709 in
einem Brief den Dürmentinger Oberamtmann Suter1. Es war dies mehr ein hilfesuchender
Stoßseufzer, als tatsächlich eine Frage an seinen Administrationsvorgesetzten. Er, der die
Finanzen der Grafschaft Friedberg-Scheer zu verwalten hatte, sollte wieder einmal Geld
beschaffen, um es dem in Innsbruck residierenden Grafen Christoph Franz bringen lassen zu
können. Dabei sah er doch schon die finanzielle »Universalkonfusion« vor der Tür stehen2.
Damit aber sind wir bereits mitten in unserem Thema: Dem Niedergang der Reichserbtruchsessen
von Waldburg-Friedberg-Scheer im 17. und 18. Jahrhundert.

Die Grafschaft Friedberg-Scheer setzte sich aus der Stadt und der Herrschaft Scheer
einerseits und der Grafschaft Friedberg andererseits zusammen. Sie war eines jener kleineren
Territorien, die das zersplitterte Bild des Schwäbischen Reichskreises bestimmten. Im wesentlichen
lag sie auf dem Gebiet der Osthälfte des heutigen Landkreises Sigmaringen3. Sie
erstreckte sich über ein fruchtbares, meist ebenes Gelände, entlang der Donau und südlich von
ihr, etwa von dem Städtchen Scheer bis nach Saulgau. Der kleine Ort Friedberg selbst lag im
unteren Zipfel der Grafschaft, südlich von Herbertingen. Im Norden endete sie etwa auf der
Höhe des Dorfes Eningen. Dieses Territorium wurde mehrere Jahrhunderte lang von
verschiedenen Zweigen der Familie der Reichserbtruchsessen und Grafen von Waldburg
regiert. Schließlich verkauften sie es 1785 an die Fürsten von Thum und Taxis.

Die letzten zweihundert Jahre der Herrschaft, besonders aber die Zeit nach dem Dreißigjährigen
Krieg, war von einer zunehmenden Finanzkrise geprägt. Die steigende Verschuldung
machte den regierenden Herren und Grafen immer mehr zu schaffen. Damit aber teilten sie
das Schicksal zahlreicher Standesgenossen in dieser Epoche, wodurch sich ihre Geschichte mit
der vieler anderer kleiner Reichsstände verband4.

Unsere Leitfrage beschäftigt sich deshalb speziell unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten
mit ihrem Niedergang im 17. und 18. Jahrhundert. Sie zielt insbesondere darauf ab, zu klären,
ob nicht-ökonomische Verhaltensweisen den Niedergang verursachten. Wir wollen versuchen
herauszufinden, ob der Verkauf von 1785 möglicherweise die Konsequenz einer langanhaltenden
Mißwirtschaft war. Dazu sollen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Territoriums und
der dort herrschenden Reichserbtruchsessen untersucht werden.

An erster Stelle jedoch wird ein kurzer Überblick über die Geschichte der in Scheer
residierenden Linien des Hauses Waldburg stehen. Dies erscheint notwendig, da bis heute
keine durchgehende Darstellung dafür vorliegt. Ein besonderes Augenmerk verdienen dabei
die Auseinandersetzungen der Truchsessen mit dem Erzhaus Österreich und mit ihren
Untertanen. Freilich kann das hier nur insoweit geschehen, als es der Behandlung der
Einzelprobleme im Zusammenhang mit der Leitfrage dient. Das erste davon wird die Höhe
und die Struktur der Schulden zu verschiedenen Zeitpunkten sein. Dabei wird dann auch ein
Blick auf die Herkunft des Geldes, also auf die Gläubiger geworfen. Damit werden zwei Ziele
verfolgt. Einmal geht es darum, die absoluten Beträge darzustellen, um sie später den

'"Abdruck der wissenschaftlichen Arbeit für das 1.Staatsexamen 1986, vorgelegt bei Prof. Dr. Volker
Press, Universität Tübingen.

1 ZAKi 1012. Zu den Personen und ihren Funktionen vgl. später Kapitel4.1. dieser Arbeit, hier S. 187ff.

2 ZAKi 1012.

3 Vgl. dazu die Karte Rep. XIV, F. 2, Nr. 14.

4 Zur Finanzkrise der kleineren Reichsstände s.: Press: Die aufgeschobene Mediatisierung. Von dem
Problem der Verschuldung während und nach dem Dreißigjährigen Krieg waren jedoch keineswegs nur
die kleineren Reichsstände betroffen. Vielmehr handelte es sich um ein Phänomen, das fast alle Teile
Deutschlands betraf und ebenso die großen Territorien, die Städte und Privatleute erfaßte. Vgl. dazu
Kaphan: Der Zusammenbruch der Kreditwirtschaft.

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