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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1990/0202
Jürgen Richter

mußte, bei einem Nettojahreseinkommen von 12000 fl, 113 000 fl Schulden zu bestreiten.
Noch schlimmer sah dies bei einem Verdienst von 17000 fl und einer Kreditbelastung von
über 300000 fl aus. Freilich lassen sich die Verhältnisse nicht einfach auf unsere Anschauungsweisen
übertragen. Dennoch illustriert diese Diskrepanz die Größenordnung der Verschuldung
der Grafen von Friedberg-Scheer recht greifbar. Gleichzeitig erhebt sich die Frage, wie
es dazu kommen konnte. Sie wird uns im folgenden Kapitel beschäftigen.

5. DIE URSACHEN UND TRIEBFEDERN DER VERSCHULDUNG

5.1. Die Ursachen der Verschuldung im Überblick

Hier sei an den Anfang die Vermutung gestellt, daß die Verschuldung nicht in erster Linie
auf eine Ursache zurückzuführen war. Vielmehr war es wohl das Zusammentreffen und die
Aufeinanderfolge einer ganzen Reihe von Faktoren, die letztlich zu der finanziellen Misere der
Herren und Grafen von Friedberg-Scheer geführt haben. Dabei sind die Gründe sowohl in
den Vorgängen zu suchen, welche von der Familie unmittelbar selbst ausgingen, als auch in
übergreifenden Ereignissen. Der Verlauf der letzteren war von den Truchsessen entweder gar
nicht oder nur bedingt beeinflußbar. Im folgenden soll versucht werden, anhand einiger
Beobachtungen die genannte Vermutung zu erhärten und nach möglichen Ursachen für das
bedrohliche Ausmaß der Finanzkrise im 18. Jahrhundert zu fragen181.

Ein Problemkomplex, der auf die wirtschaftliche Situation durchschlug, waren die Nachlaßregelungen
. Mit ihnen verbanden sich die Erbteilungen sowie die Versorgung und Verzichtleistung
solcher Familienmitglieder, die vom Erbe der väterlichen Besitzungen ausgeschlossen
werden sollten. Dazu ist vorauszuschicken, daß grundsätzlich alle männlichen
Familienmitglieder erbfolgeberechtigt waren182. Der Grundsatz der Primogenitur setzte sich
in der Trauchburger Linie, welcher die Grafen und Herren von Friedberg-Scheer angehörten,
erst 1724 durch183. Zuvor bereits gab es Hausgesetze und überkommene innerfamiliäre
Rechtsbräuche, an denen man sich orientierte. Sie dienten jedoch nur als Richtlinien, anhand
derer die Ansprüche Einzelner von Fall zu Fall geklärt und vertraglich geregelt werden
mußten184.

Ein Instrument, männlichen Nachkommen einen Unterhalt zu verschaffen, der ihren
Verzicht auf das väterliche Erbe ermöglichte, war deren Unterbringung im geistlichen Stand.
Dazu wurden sie mit einem oder teilweise mit mehreren Kanonikaten oder Domherrenpfründen
versehen. Das war freilich wiederum mit Unkosten verbunden185. Zum Teil gelangten die
Betroffenen auf diese Art und Weise jedoch in reichs- und sogar kurfürstliche Würden. So
etwa Bischof Otto von Augsburg (1514-1573) oder der unrühmlich abgesetzte Kurfürst
Gebhard von Köln (1547-1601). Auch der letzte Agnat der Trauchburger Linie, Franz Karl
Eusebius (1701-1772), brachte es als Bischof von Chiemsee noch zum Titel eines Reichsfürsten
.

181 Soweit im folgenden allgemeingeschichtliche Zusammenhänge erläutert werden, wird im ganzen auf
Kapitel 2. dieser Arbeit verwiesen. Die entsprechenden Stellen werden nicht mehr einzeln zitiert.

182 Das regelte das waldburgische Hausgesetz von 1463, welches keine Erbfolgeordnung bestimmte.
Näheres dazu bei Rauh: I. S. 32-35. Vgl. ferner Vochezer: I. S. 557f.

183 Zu der bislang nicht aufgefundenen trauchburgischen Primogeniturordnung näheres bei Rauh: I.
S. 153 f.

184 Grundlegend war immer das Hausgesetz von 1463. S. Anm. 182. Weitere Richtlinien gaben die
zahlreichen Testamente, Erbverträge und Erbeinigungen, die hier nicht aufgeführt werden sollen. S. dazu
für die Zeit des Alten Reichs allgemein: Rauh: I.

185 1718 mußten z.B. über 2000fl für zwei Kanonikate in Salzburg und Basel aufgebracht werden.
Rep.I, F. 2, Nr. 215.

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