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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0106
Michael Matzke

gesamte Innenraum der Kapelle auf spätantik-frühchristliche Art überall dort mit Ornamenten
überzogen, wo keine bildliche Darstellungen sind. Zu erwähnen wäre noch die marmorne
Sockelzone in der Apsis der Gnadenkapelle, die sich im Schiff in Form einer Holzverkleidung
fortsetzt und wohl auch auf spätantike Vorbilder zurückgeht.

Komplizierter wird die »Quellensuche« für die Bemalung der Flachkuppel, wenn man von
den - allerdings ägyptisierenden - vier Evangelistensymbolen in den Zwickeln als Gemeinplatz
absieht: Eine Halbfigur der segnenden Maria mit Kind befindet sich in einem Medaillon,
das von acht großen Engeln auf Pyramidenstümpfen getragen wird. Zwar denkt man bei dem
Kuppel-Medaillon zunächst an byzantinische Pantokrator-Darstellungen, aber gerade wieder
in der frühchristlichen Kunst trifft man auf kleinere Kuppelmedaillons, teilweise auch mit
Darstellungen wie Kreuz oder Heiligen-Halbfiguren, so zum Beispiel in S. Vittore/Mailand'la
und in der erzbischöflichen Kapelle in Ravenna (Abb. 5). Hier ist auch das Motiv der
tragenden Engel gegeben, das in der Seitenkapelle von S. Prassede in Rom - allerdings mit der
Halbfigur Christi - in noch klarerer Form auftritt und der Kuppel der Gnadenkapelle noch
näher steht12. Es »fehlt« nur noch die Rhythmisierung der Kuppel durch menschliche
Gestalten (die Engel in der Gnadenkapelle), wofür Bauten wie die Ravennater Baptisterien
Pate gestanden haben können13.

So weisen viele stilistisch-formale Merkmale der Beuroner Gnadenkapelle, nämlich Architektur
, Ornamentik, mosaizierende Ausmalung, Sockelzone, Gestaltung von Apsis und
Kuppel etc., ganz auf die frühchristlich-spätantike »Stilstufe« von Ravennater und römischen
Bauten wie das »Mausoleum der Galla Placidia« und die Oberkirche von S. Clemente.
Gleichzeitig wird aber auch Bezug genommen auf die Zeit Benedikts von Nursia (ca.
480-560), das heißt die Zeit in der das Benediktiner-Mönchtum begründet wurde. Die
Gnadenkapelle ist versetzt oder versetzt den Besucher in die frühchristliche und frühmonasti-
sche Zeit, was auch an vielen weiteren kleineren Details der Ausstattung vertieft werden
könnte14.

Dies paßt auch gut zu der Tatsache, daß P.Paul Krebs als Verantwortlicher für die
Ausstattung vor seiner Konversion einige Jahre in Palermo und Italien lebte; die Gründer
Beurons, die Gebrüder Wolter erhielten ja ebenfalls in Italien ihre religiöse Prägung und
waren daher mit den genannten Bauwerken vertraut15.

Wie schon oben teilweise aufschien, sind in der Ausstattung der Gnadenkapelle auch
»ägyptisierende« Elemente zu finden, so zum Beispiel das Bambus-Stauden-Ornament der
»Gurtbögen«, die ägyptisierende Darstellung der Evangelistensymbole usw. Außerdem sind
die Figuren deutlich starrer, linearer und geometrischer gehalten als ihre möglichen spätantiken
»Ahnen«, und das Rankenornament von S. Clemente ist deutlich stilisierter und geometri-
sierter als sein Vorbild,6. Dies sind noch wenige Elemente der stark stilisierten und geometri-

11a S. B.Brenk: Spätantike und Frühes Christentum (Propyläen Kunstgeschichte, Suppl.bd. 1) Frankfurt
/M. - Berlin - Wien 1977. Abb. 27.

12 Abb. 6. Vgl. mit Abb. 2 (Gnadenkapelle).

13 Deichmann: (wie Anm. 11) Abb. 40: Kuppel des katholischen Baptisteriums, Ravenna (Mitte S.Jahrhundert
).

14 Somit ist es auch nicht ganz zutreffend, P. Paul Krebs' Gestaltung der Gnadenkapelle als »byzantini-
sierend« zu bezeichnen, weil man damit wohl mehr an mittel- und spätbyzantinische Werke denkt, wie z.
B. Kreuzkuppelkirchen etc.

15 Vgl. Werkverzeichnis von P.Paul Krebs: Martha Dreesbach: Pater Desiderius Lenz OSB. Theorie
und Werk. In: Studien u. Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens 69 (1958) S. 5-59, hier
S.33ff.; zu den Gebrüdern Wolter: Fiala (wie Anm.4) S.42ff.; Otto H.Becker: Erzabt Dr. Maurus
Wolter und Hohenzollern. In: Hohenzollerische Heimat 40 (1990) S.51-56; T.II Ebd. 41 (1991) S.7-10,
hierzu besonders T. I S. 51 f.

16 Vgl. Abb. 2 mit Abb. 4 (Ornament), mit Abb. 5 und Deichmann (wie Anm. 13): Die Engel der
Gnadenkapelle sind stilisierter, linearer und wie geometrisiert in die Fläche eingespannt.

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