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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0114
Michael Matzke

Prinzipien stoßen können41. Es steht also bei der Betrachtung der Mauruskapelle das gesamte
Kunstschaffen des Peter/Desiderius Lenz, des geistigen Vaters und »Gründers« der Beuroner
Kunst, zur Debatte, zumal andere Hauptwerke wie die Kirchen und Klöster St. Emmaus und
St. Gabriel in Prag, und ebenso Krypta und Torretta von Montecassino im letzten Krieg
zerstört wurden42.

Bezeichnend ist das eingangs dieser Arbeit angeführte Zitat des ersten Beuroner Erzabtes
aus einem Brief an seinen Bruder, das sich ja gerade auf die Mauruskapelle bezieht. Denn trotz
seiner der Gnadenkapelle vergleichbaren Ausmaße (ohne Sockel: 14,23 m Länge; 5,7m Breite)
dürfte es schon schwierig werden, überhaupt mit mehr als zehn Personen zum Beispiel eine
Andacht in der Mauruskapelle durchzuführen43. Vielmehr erwartet man wirklich, daß jeden
Augenblick ein heidnischer Priester heraustritt und vor dem Tempel ein Opfer vollzieht,
zumal nicht nur äußere Gestalt, sondern auch Anlage in der Landschaft zu sehr an einen
archaischen griechischen Tempel erinnern. Die Mauruskapelle verstößt also mindestens in
zwei entscheidenden Punkten gegen die oben hervorgehobenen Prinzipien des Beuroner
Mönchtums und damit auch der Katholischen Restauration:

Der künstlerischen Gestaltung, hier der architektonischen Gestaltung als griechischer
Tempel auf einem Sockel, wurde die Funktionalität geopfert, da der für den christlichen Kult
notwendige Innenraum als Cella eines antiken Tempels nur ein Drittel der Fläche einnehmen
konnte und somit unfunktional wurde (Abb. 9). Hinzu kommt noch, daß schon die Kapelle an
sich - entsprechend ihrer denkmalartigen Anlage auf einem Sockel - nur Votiv- und
Hauskapelle des benachbarten »Landhauses« war, also nicht Zielen wie Pflege von Liturgie,
Choral und Volksfrömmigkeit diente, und dank der Lenz'schen Architektur nicht dienen
konnte.

Der andere wichtige Punkt, gegen den die Mauruskapelle verstieß, war der Rückgriff auf
eine vor-christliche, heidnische Tradition als Vorbild oder Stil, wobei viele ägyptisierende
Details der »griechischen« Gesamtanlage noch stärker belastend hinzutraten. Demgegenüber
stellt die Beuroner Gnadenkapelle einen deutlichen Fortschritt dar mit ihren Bezügen zu
Frühchristentum und Spätantike, mittelalterlicher Typologie und gegenreformatorischer
Marienverehrung etc., also zu christlichen und insbesondere katholischen Traditionen.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß Abt Maurus Wolter geradezu empört über die
Mauruskapelle war und trotz des Eintritts der Künstler Lenz, Wüger und Steiner in die
Beuroner Klostergemeinschaft diese nur sehr eingeschränkt hat künstlerisch wirken lassen.
Hinzu kommt noch, daß die Gebrüder Wolter ja aus dem rheinischen Katholizismus
herstammen, wo die Gotik noch bis um 1900 der unangefochtene Normstil für die katholische
kirchliche Kunst war44. So ließ Abt Maurus nicht zu, daß die Beuroner Klosterkirche
grundlegend nach den Plänen von Peter/Desiderius Lenz umgebaut wurde, sondern genehmigte
nur einige kleinere Umbauten. Er beauftragte sogar den gefälliger malenden und
konventionelleren Jakob/Gabriel Wüger, die radikaleren Ansätze und Pläne von Lenz zu
mäßigen. Auch die Gründung der von Lenz und Wüger geplanten klösterlichen Kunstschule
wurde lange Zeit bewußt verschleppt und erst 1894/95, 22 Jahre (!) nach dem Eintritt von
Peter Lenz in das Kloster Beuron, vollzogen. Die Leitung wurde dann dem jüngeren und
mehr mit Beuroner Prinzipien im Einklang stehenden P.Paul Krebs übertragen45.

Ein weiterer Grund für all dies - und auch der Grund für die späte Anerkennung des
Werkes von Desiderius Lenz seit ca. 1900 und heute wieder - liegt in der außergewöhnlichen

41 Dreher (wie Anm. 1) S. 361 f.

42 Zur übersichtlichen Information über Lenz vgl. Dreesbach (wie Anm. 15) S. 12-24 (Biographie) und
S. 42-56 (Werkverzeichnis).

43 Vgl. Abb. 7 und 8: Seiten- und Frontalansicht der Mauruskapelle nach Photographien von 1905;
Abb. 9: Grundriß.

44 Vgl. Smitmans (wie Anm. 3) S.46ff.

45 Dreesbach (wie Anm. 15) S. 17f., S.27f. und S.21.

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