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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1993/0227
Besprechungen

nicht allein die Entwicklung der Stadt Ulm im 19. Jahrhundert eingehend beleuchten, sondern
zugleich eine Vielzahl von Anregungen zu vergleichenden Studien in anderen Städten bieten.

Balingen Andreas Zekom

Zeugnisse zur Geschichte der Juden in Ulm. Erinnerungen und Dokumente. Hg. vom
Stadtarchiv Ulm. Ulm 1991. 271S., 134 Abb.

Als sich 1988 ehemalige jüdische Ulmer Bürgerinnen und Bürger in ihrer einstigen Heimatstadt
trafen, entstand die Idee, ihren schweren Lebensweg zu dokumentieren. Mit großem
persönlichem Engagement brachte Otto Hüb - 1915 in Ulm geboren, 1939 nach Palästina
ausgewandert - das Vorhaben auf den Weg, das Schicksal seiner früheren jüdischen Mitbürger
aufzuzeichnen und zu veröffentlichen. Auf seine Anregung hin versandte das Stadtarchiv
Rundbriefe an die einstigen jüdischen Bewohner Ulms mit der Bitte, ihre Lebenserinnerungen
zu verfassen. Die Resonanz war gut, mehr als 30 Zuschriften gingen ein. Für die vorliegende
Veröffentlichung wurden weitere Zeugnisse hinzugefügt, die dem 1982 von Walter Strauss
herausgegebenen Band »Lebenszeichen, Juden aus Württemberg nach 1933« entstammen. Die
insgesamt 54 Beiträge schildern in bewegender, oft auch erschütternder Weise die Lebenswege
der Berichtenden und ihrer Familien, Wege, die sich nach dem unfreiwilligen Abschied aus der
Heimat in viele Länder der Erde - nach Palästina, dem heutigen Israel, in die USA, nach
Südamerika, aber auch zurück nach Ulm - führten. So unterschiedlich die Schicksale im
einzelnen verlaufen sind, gemeinsam ist ihnen allen der tiefe Bruch, der die nationalsozialistische
Machtergreifung 1933 brachte, das plötzliche Herausgerissensein aus einem sicher geglaubten
bürgerlichen Leben. Noch heute ist die Erschütterung zu spüren über die zunehmende
Ausgrenzung aus der Gesellschaft. Diejenigen, denen es gelang, noch rechtzeitig Deutschland zu
verlassen, erwartete in den meisten Fällen ein schwieriger Neuanfang in der neuen Heimat und
zumindest in den ersten Jahren ein entbehrungsreiches hartes Leben. Stellvertretend für viele sei
hier Lore Frank zitiert, die 1939 zunächst nach Schottland, ein Jahr später in die USA emigrierte:
»Wenn ich zurückdenke, hat mir die Umstellung von der >höheren lochten zum Dienstmädchen
und zur Fabrikarbeiterin nie ein Minderwertigkeitsgefühl gegeben. Jedoch, daß wir, die wir
uns als gute Deutsche fühlten und es beinahe alle waren, so behandelt wurden, das war schwer zu
schlucken« (S. 133).

Der zweite Teil des Buches umfaßt Dokumente zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in
Ulm, die vom Stadtarchiv Ulm für eine Ausstellung anläßlich des 50. Jahrestages der Reichspogromnacht
zusammengestellt wurden. Sie geben einen knappen Abriß der Entwicklung der
erstmals um 1240 nachweisbaren Gemeinde. Mit der 1499 auf königlichen Befehl hin erfolgten
Ausweisung war das jüdische Gemeindeleben zunächst beendet. Erst nach der Mediatisierung
der Reichsstadt 1802/3 fanden Juden wieder Zugang in die Stadt. Zahlreiche Zeugnisse belegen
eindrucksvoll die bis 1933 ständig wachsende Integration der Juden in das politische, wirtschaftliche
und kulturelle Leben. Sie machen deutlich, warum so viele darauf vertrauten, daß
ihnen auch durch die Nationalsozialisten keine größere Gefahr drohte.

Das bewegende, durchaus nicht nur für Ulmer interessante Buch soll - wie Otto Hilb in
seinem Vorwort formuliert (S. 11) - »über den Trümmern der Vergangenheit eine Brücke in
die Zukunft bauen - eine Zukunft, die geprägt ist von Verständnis und gegenseitiger Achtung,
ja Freundschaft, nicht nur zwischen den Völkern, sondern auch zwischen den Generationen,
und in der kein Platz für Haß, Diskriminierung und Überheblichkeit sein darf.« - Mit dem
vorliegenden Buch ist ein guter Grundstein dazu gelegt.

Stuttgart Nicole Bickboff

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