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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0248
Gabriel Richter

gesundheitsrats in Berlin, scheint offenbar so entsetzt gewesen zu sein, daß von dort aus am
7. Mai 1932 folgendes Schreiben an den Regierungspräsidenten der Hohenzollerischen Lande
abging: Wie sich aus dem Berichte vom 11. März d.Js. ergibt, besteht der bereits in dem
Gutachten des Professors Dr. Gaupp vom 2. Februar 1931 über die Besichtigung der Landesirrenanstalt
daselbst geschilderte Zustand, wonach diese Anstalt mit 180 Geisteskranken von
den beiden Ärzten des Landeskrankenhauses nebenamtlich mitversorgt wird, auch jetzt noch
fort. Diese völlig unzureichende Versorgung der Anstalt kann auch unter Berücksichtigung der
jetzigen allgemeinen Finanznot nicht länger zugelassen werden. Ich ersuche daher ergebenst,
darauf hinzuwirken, daß ein hauptamtlicher Arzt für die Anstalt eingestellt wird, und sehe
über das Ergebnis Ihrer Verhandlungen einem Berichte entgegen7.

Die therapeutischen Innovationen scheinen in der Weimarer Republik durch die mangelnde
psychiatrische Ausbildung und ein den körperlich Kranken zugewandten Interessenschwerpunkt
beider im Krankenhaus tätigen Arzte bis 1932 an Sigmaringen spurlos
vorbeigegangen zu sein. Auch der gerade 28jährige Dr. Hüetlin konnte als neuer Leiter,
gezwungen durch die Weltwirtschaftskrise und den anschließenden nationalsozialistischen
Sparkurs in der psychiatrischen Versorgung, nicht in dem Maße die erbärmlichen Zustände
lindern, wie er sich dies gewünscht hätte.

So schilderte zum Beispiel Professor Dr. Hermann Hoffmann, einer der von Tübingen
angeforderten Gutachter zur Versorgung psychiatrischer Patienten in Sigmaringen, den Stand
der dortigen Arbeitstherapie 1933: Arbeitsmöglichkeiten für die Kranken sind auch in Sigmaringen
geschaffen worden in dem Maße, wie es sich bei den besonderen Verhältnissen der
Anstalt durchführen ließ. Es werden neben landwirtschaftlichen Arbeiten auch einzelne
Handwerke und Näharbeiten betrieben. Trotzdem aber kann von einer systematischen
Arbeitstherapie, wie sie in manchen für diesen Zweck besonders eingerichteten modernen
Anstalten möglich ist, nicht die Rede sein8.

Hierbei muß jedoch erwähnt werden, daß sich manche Kliniken auch damals dieser therapeutischen
Änderung gegenüber verschlossen. So wurde in der psychiatrischen Klinik Freiburg
bis zum Ausscheiden von Professor Dr. Hoche am 30.9.1933 keine Arbeitstherapie
betrieben9.

Nach 1933 noch eine Arbeitstherapie mit dem Schwerpunkt auf der »Therapie« einrichten
zu wollen, war aussichtslos. Arbeit sollte nach nationalsozialistischer Anschauung nicht mehr
dem Patienten zur Uberwindung seiner Krankheit, sondern dem »Volkswohl« dienen, lebte
man als Patient doch schon auf Kosten des Volkes, wie propagiert wurde.

Ganz in diesem Sinne äußerte sich auch Dr. End, der Krankenhausdirektor, in seinem
Jahresbericht 1934/35: Besonderer Wert wurde auf die nutzbringende Anwendung der
Arbeitstherapie gelegt. Die Kranken wurden im stärkeren Maße wie früher beim Garten- und
Ackerbau, sowie in der Oekonomie verwendet. Außerdem konnte eine größere Anzahl
Kranker im Haushalt, in der Küche, zu Transportzwecken und anderen Arbeiten verwendet
werden. Die Werkstättenarbeiten (Bürstenmacherei, Schreinerei, Matten- und Korbflechterei,
Buchbinderei, Schneiderei usw.) wurden mit Erfolg betrieben10.

Inhaltlich hätte selbst diese Art von Arbeit, trotz des Nutzenanspruchs, für einige
Patienten einen Fortschritt in ihrer Behandlung bedeutet. Doch leider war diese Verlautbarung
zu sehr geschönt, wie ein internes Papier, verfaßt von Dr. Hüetlin für Landesdirektor
Karl Maier, Geschäftsführer des Landeskommunalverbandes der Hohenzollerischen Lande
und Kreisleiter der NSDAP, zur Vorlage beim staatlichen Gesundheitsamt Sigmaringen vom

7 StAS Ho. 235 Nr. 133. Schreiben des Preußischen Ministeriums für Volkswohlfahrt, Ministerialdirektor
Dr. Schopohl an den RpdHL vom 7.5.1932.

8 Hoffmann (wie Anm. 2) S. 3-4.

9 Richter (wie Anm. 3) S. 33.

10 StAS Ho. 235 Nr. 133. Dr. Friedrich End: Bericht des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen
für das Rechnungsjahr 1. April 1934 bis 31. März 1935. S. 8.

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