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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0249
Die psychiatrische Abteilung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses in Sigmaringen im »Dritten Reich«

10.11.1937, belegt: Die Arbeitstherapie, welche mit Recht von einer zeitgemäßen Heilanstalt
gefordert wird, kann ... infolge Raummangels nicht in dem gewünschten Maße durchgeführt
werden. Wir waren sogar im letzten Jahr gezwungen, einige Kranke, die zum Schneidern,
Nähen und Flicken verwandt wurden, tagsüber in dem Schlafraum zweier Pflegerinnen zu
beschäftigen".

Zum Stand der Außenfürsorge existieren in den vorliegenden Berichten zu Sigmaringen
nur spärliche Informationen. Da die Frühentlassung mit der damit verbundenen Außenfürsorge
an eine ärztliche Überwachung gebunden war, dürfte sie ohne vorhandenen Psychiater
vor dem 1.10.1932 wohl nicht existiert haben. 1934 sollen 41, 1936 53 Personen in Außenfürsorge
betreut worden sein12. Zur Familienpflege finden sich gar keine Unterlagen.

Auch ihren Aufgaben bei der Behandlung akut erkrankter Patienten wurde die psychiatrische
Abteilung nicht gerecht. So stellen die von Tübingen entsandten ärztlichen Gutachter
zwar fest: Einzelzimmer für die Isolierung von Kranken stehen in genügendem Maße zur
Verfügung13, doch aus Personalmangel könnten diese Zellen nicht ausreichend überwacht
werden. Da es an einer Arbeitstherapie im eigentlichen Sinne fehle, schlug der Tübinger
Psychiater Dr. Hoffmann folgendes 1933 noch gängiges Verfahren vor: Ferner wäre es noch als
dringend notwendig ins Auge zu fassen, daß die unruhigen Wachabteilungen mit einem
Dauerbad versehen werden. Das Dauerband gehört zum Rüstzeug der Behandlung von
Geisteskranken und ist streng genommen nicht zu entbehren H.

Der letzte Tübinger Gutachter, Doz. Dr. Konrad Ernst, kam noch 1939 zu folgendem
vernichtendem Urteil zur Versorgung von Akutpatienten in der Psychiatrie Sigmaringen:
Trotz erheblicher Verbesserungen sachlicher und persönlicher Art, die in der Anstalt Sigmaringen
während der letzten Jahre durchgeführt wurden, hat ihre Ausstattung mit der wachsenden
Patientenzahl (124 Patienten 1925 bis 220 Patienten 1939) und der Entwicklung der Forderungen
der Psychiatrie nicht Schritt gehalten. Die Behandlungsmethoden, die einem modernen
psychiatrischen Betrieb das Gepräge geben (psychologische und Arbeitstherapie, Insulin- und
Cardiazolbehandlung) sind nur ungenügend oder gar nicht durchführbar. Eine bestmögliche
Behandlung frisch Erkrankter ist deshalb unter den jetzigen Umständen in Sigmaringen nicht
möglich15.

2. FINANZIELLE, RÄUMLICHE UND PERSONELLE NOT

Bei allen ausführlichen Berichten zur Psychiatrie in Sigmaringen spielten drei Faktoren
eine wesentliche Rolle:

1. Unzureichende Räumlichkeiten bei steigenden Aufnahme- und Bettenzahlen,

2. mangelnde personelle Ausstattung,

3. ein zu geringer Pflegesatz.

Während der Weimarer Republik hatte es, bis auf eine nicht näher bezeichnete Erweiterung
in der Männerabteilung 193016 keinen durchgreifenden Ausbau der Psychiatrischen
Abteilung mehr gegeben. Schon mit der sukzessiven Auslagerung der psychiatrischen Abteilung
in Pavillons und einer angedeuteten Umgestaltung in eine »coloniale agricole Irrenan-

11 StAS Ho. 235 Nr. 133. Dr. Hans Hüetlin in einem Schreiben des RpLdHL Karl Maier an das
Staatliche Gesundheitsamt Sigmaringen vom 10.11.1937. S.4.

12 KASXIV Acc. 1993-4 Nr. 835. Jahresberichte des St. Vinzentiushauses. S. 1. StAS Ho. 235 Nr. 133.
Schreiben des RpLdHL Maier an den RpdHL vom 10.8.1936. S.3.

13 Hoffmann (wie Anm. 2) S. 4.

14 Hoffmann (wie Anm. 2) S. 4.

15 StAS Ho. 235 Nr. 133. Gutachten des Tübinger Oberarztes Doz. Dr. Konrad Ernst gegenüber dem
RpdHL vom 9.3.1939. S. 10.

16 Hüetlin (wie Anm. 11) S. 1.

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