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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0260
Gabriel Richter

Arbeitsbelastung für Dr. Hüetlin beschrieben wird: Die erbbiologische Bestandsaufnahme für
Hohenzollern, deren Durchführung dem Leiter der Nervenabteilung des Fürst-Carl-Landeskrankenhauses
hier als Landesobmann übertragen ist, ist seit Aufnahme der Arbeiten erheblich
in die Breite gegangen und verursacht außerordentlich viel Arbeit. Dem Leiter der Nervenabteilung
obliegt zunächst die Betreuung und Heilbehandlung der im Landeskrankenhaus
untergebrachten rd. 200 Geisteskranken, die Überwachung der Tätigkeit des Pflegepersonals
und die Überwachung der in offener Fürsorge des Hohenz. Landesfürsorgeverhandes stehenden
Geisteskranken. Neben den laufenden Arbeiten und dem laufenden Schriftverkehr nimmt
die Erstattung von Gutachten über Geisteskranke für die einweisenden und zahlenden Stellen
den Nervenarzt sehr stark in Anspruch. Wenn letzterer neben seinen eigentlichen Dienstaufgaben
noch die erbbiologischen Bestandsaufnahme für Hohenzollern durchführt, so muß bei der
Beurteilung des Fortganges der erbbiologischen Arbeiten selbstverständlich der gesamte Aufgabenkreis
des Nervenarztes berücksichtigt werden. Ich bin bestrebt, die erbbiologischen Arbeiten
mit allen Mitteln zu fördern. So ist im letzten Jahr eine Schreibhilfe für diese Arbeiten
eingestellt worden. Ferner habe ich die Anordnung getroffen, daß der Landesobmann die
mündlichen Erhebungen auf diesem Gebiet stets mit Dienstreisen zum Besuch von Geisteskranken
in offener Fürsorge verbindet. Tatsächlich sind die ausserordentlich umfangreichen
Erhebungen und Feststellungen zwecks Durchführung der erbbiologischen Bestandsaufnahme
in vollem Gange. Andererseits muß aber auch darauf gesehen werden, dass der Nervenarzt
durch die erbbiologischen Arbeiten nicht seinen eigentlichen Dienstaufgaben entzogen wird. Es
wäre deshalb sehr erwünscht, daß bei der Stellung von Anträgen auf Unfruchtbarmachung
erbkranker Personen der Nervenarzt vom Staad. Gesundheitsamt hier in der Weise unterstützt
wird, dass das Gesundheitsamt die Beschaffung von Unterlagen verschiedener Art wie
Zeugnisse, Strafregisterauszüge und dergl. selbst übernimmt51.

Dieser Vorstoß trug Dr. Hüetlin eine scharfe Reaktion nebst Belehrungen zum Gesetzestext
durch Dr. Berger, dem Leiter des Gesundheitsamtes, ein. Das Schreiben wirft ein Licht
auf das gespannte Verhältnis zwischen Dr. Hüetlin und Dr. Berger, wobei letzterer offenbar
tatsächlich bis dahin Aufgaben erledigt hatte, die eigentlich Dr. Hüetlin oder Dr. End hätten
übernehmen müssen. Ohne die Antwort des Regierungspräsidenten abzuwarten, schrieb
Dr. Berger am 8.2.1938 direkt an Dr. Hüetlin: Durch die anhaltende Arbeitsvermehrung der
Gesundheitsämter ist es nicht mehr angängig, dass ich für Sie die Anträge auf Unfruchtbarmachung
stelle. Ausserdem bin ich nicht mehr in der Lage, an Ihrer Stelle für die Anträge auf
Unfruchtbarmachung von Patienten, die in Ihrer Anstalt sind, die Verantwortung zu tragen.
Bei diesen Anträgen verfügen Sie als Anstaltsarzt über die Unterlagen und können die Ihnen
fehlenden jederzeit ergänzen, vor allem aber können Sie von vornherein schon bei der
Aufnahme des Erkrankten in Ihre Anstalt übersehen, ob ein Antrag auf Unfruchtbarmachung
in Frage kommen könnte und können daher schon kurz nach der Aufnahme die notwendigen
Vorbereitungen für diese Antragstellung treffen. Ich glaubte durch Übernahme der Verantwortung
für die Anträge auf Unfruchtbarmachung der Insassen Ihrer Anstalt unsere Zusammenarbeit
aufs Beste fördern zu können, sehe mich aber leider in dieser Hoffnung getäuscht,
da trotz aller meiner Bemühungen die Zusammenarbeit nicht den von mir gewünschten Grad
erreicht hat ... Ich bin der Ansicht, dass die Einleitung des Erbgesundheitsgerichtsverfahrens
bei den Insassen Ihrer Anstalt ohne jede Verzögerung erfolgen könnte, wenn Sie schon kurz
nach der Aufnahme des Erkrankten die notwendigen Vorbereitungen treffen würden, also
sofort auch mit dem Anlegen der Sippenbogen beginnen würden. Für die Rechtzeitigkeit dieser
Vorbereitungen müssen Sie auch selbst die Verantwortung tragen52.

51 Faulstich (wie Anm. 5) S. 94; StAS Ho. 310 Nr. 268. Schreiben des RpLdHL Maier an den RpdHL
vom 17.1.1938. S. 1-2.

52 StAS Ho. 310 Nr. 268. Schreiben des Leiters des staatlichen Gesundheitsamtes Sigmaringen, Dr. Hans
Berger, an den Leiter der Nervenabteilung des FCL Sigmaringen Dr. Hans Hüetlin vom 8.2.1938. S. 1-5.

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