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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0266
Gabriel Richter

gehalten, von ihr nicht verstoßen, wenn er auch bei seiner Entlassung das Opfer bringen muß,
auf Nachkommenschaft zu verzichten n.

Landesdirektor Maier kam am 16. März 1940 zu folgendem abschließendem Ergebnis zu
den Kritikpunkten von Dr. Ernst:

1. Die Nervenabteilung des Landeskrankenhauses soll im Laufe der Zeit zu einer vollwertigen
Heil- und Pflegeanstalt ausgebaut werden. Eine Beschränkung des Aufgabengebietes der
Nervenabteilung auf eine reine Pflegeanstalt kann nicht in Frage kommen. 2. Um die ärztliche
Versorgung zu verbessern, soll auf der Abteilung vorerst dauernd ein Volontärassistent
beschäftigt werden. Die spätere Umwandlung der Volontärassistentenstelle in eine Assistentenstelle
wird in Aussicht genommen. 3. Die Ausstattung der Nervenabteilung mit ausreichend
ausgebildeten Pflegekräften wird erfolgen, sobald wieder normale Verhältnisse eingetreten
sind. Während des gegenwärtigen Krieges werden in dieser Hinsicht allerdings keine grundlegenden
Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Es ist trotz größter Bemühungen
nicht einmal möglich, für die zum Wehrdienst einberufenen Wärter Ersatzkräfte zu
bekommen. Die Stellung der bisherigen Wärter ist von mir bereits in letzter Zeit gehoben
worden, indem die Wärterstellen in Pflegerstellen umgewandelt worden sind, für die Bezahlung
der Pfleger die neue Krankenhaustarifordnung eingeführt wurde und die Einführung
einer verwaltungseigenen Prüfung der Pfleger in Aussicht genommen wurde. 4. Die Schaffung
der Räume und Einrichtungen zu einer Intensivierung der Arbeitstherapie wird erfolgen,
sobald nach dem Kriege die Verhältnisse dies gestatten77.

Am 1.12.1940 wurde Dr. Hüetlin als Wehrkreisarzt des Wehrkreises V nach Straßburg
abkommandiert. Er mißt sich etwas zuviel Einfluß und Bedeutung zu, wenn er glaubt, mit
seiner Anwesenheit hätte er den Abtransport verhindern können. In seinem Verhör zum
sogenannten »Grafeneckprozess« gibt Dr. Hüetlin jedenfalls zu Protokoll: Die allgemeine
Ansicht war die, dass diese Versetzung erfolgt war, um mich hier in Sigmaringen aus dem Wege
zu räumen in Hinblick auf die bevorstehende »Verlegung« der in Frage stehenden Geisteskranken
. Diese Meinung war aufgetaucht, nachdem kurz nach meiner militärischen Versetzung
die Ankündigung und Durchführung der Verlegung erfolgte71.

Entweder am 5. (Maier) oder, was weniger wahrscheinlich ist, am 11.12.1940 (Dr. End)
wurde einem Gremium, bestehend aus Landesdirektor Maier, Landesamtmann Mühlebach,
Oberinspektor Hurm (Verwalter des Landeskrankenhauses), Dr. Berger (Medizinalreferent
des Regierungspräsidenten), Schwester Maura (Oberin) und Dr. End durch den stellvertretenden
Regierungspräsidenten von Reden eine wahrscheinlich 100 Patienten umfassende Liste
vorgelegt, die aufgrund sogenannter »planwirtschaftlicher Maßnahmen« nach »unbekannt«
verlegt werden müßten. Sr. Maura als Oberin und Dr. End als alter/neuer Leiter der Nervenabteilung
hätten, nach Aussage von Landesdirektor Maier, ca. 30 Patientennamen gestrichen.
Landesdirektor Maier meinte auch, Dr. End und die Oberin seien arglos über das weitere
Schicksal der Patienten gewesen. Er selbst hätte gerüchteweise gehört, in Ostpreußen würden
auf Veranlassung von Himmler »Irre« zusammengelegt und getötet79.

Insgesamt kann man sich eine völlige Unwissenheit und Arglosigkeit jedoch kaum
vorstellen. In den württembergischen Anstalten wußten die jeweiligen ärztlichen Leiter alle
am 16.2.1940 über das weitere Schicksal ihrer Pfleglinge Bescheid. Im benachbarten Baden
wurden die Anstaltsleiter zwar zu unterschiedlichen Zeitpunkten informiert, jedoch alle vor
der zweiten Hälfte des Jahres 194080. Im ganzen Umlande waren schon, wie oben kurz
skizziert, Patienten abgeholt worden.

76 Konrad Ernst: Zitiert nach Gleinig und Gabrysch (wie Anm. 75) S. 27-28.

77 StAS Ho. 310 Nr. 268. Schreiben des RpLdHL Maier an den RpdHL vom 16.3.1940.

78 Grafeneck-Sigmaringen. Aussage Dr. Hans Hüetlin vom 23.3.1946.

79 Grafeneck-Sigmaringen. Aussage Karl Maier vom 16.1.1948.

80 Faulstich (wie Anm. 5) S. 233 und 273. Gabriel Richter und Heinz Faulstich: Eine Bilanz des
Tötens und des Sterbens. In: Richter u. a. (wie Anm. 39) S. 85.

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