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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0270
Gabriel Richter

stumpf und ruhig wie zuvor. Durch das Beobachtungsfenster konnte man feststellen, daß sie
nicht das geringste von der Gaszufuhr bemerkt hatten. Nach einigen Minuten zeigten sie
Müdigkeits- und Erschlaffungserscheinungen und sanken teilweise auf der Sitzbank um. Wenige
Minuten später zeigten sie keinerlei Lebenszeichen mehr. Darauf wurde die Gaszufuhr
abgestellt und nach einigen Minuten der Raum, die Türen und beide Fenster geöffnet. Ein Teil
der Leichen wurde nun den Verbrennungsöfen zugeführt. In jedem Verbrennungsofen konnte
jeweils nur eine Leiche verbrannt werden. Die Verbrennung geschah mit Olfeuerung. Ebenso
mußte nach Vollendung der Verbrennung der Verbrennungsofen immer erst abkühlen, so daß
die Asche entfernt werden konnte, ehe er wiederum mit einer neuen Leiche beschickt wurde94.

Dieser Bericht muß jedoch in mehreren wichtigen Details ergänzt werden, da er von einem
vehementen Befürworter der »Euthanasie« abgegeben wurde, der schon den Begriff der
Ermordung korrigiert sehen wollte: Ich persönlich ziehe das Wort >Daseinsbefreiung< vorK.
Nach verläßlichen Aussagen wurden zum Beispiel die Patienten vollständig ausgezogen. Nicht
alle Patienten blieben in der Gaskammer ruhig sitzen. Der Teil der Patienten, der nicht sofort in
die Verbrennungsöfen kam, wurde seziert. Das Zahngold wurde bei den zuvor mit einem Kreuz
markierten Patienten herausgebrochen. Die Asche der in den Ofen Verbrannten wurde
untereinander gemengt, da drei Personen zusammen - ohne Erkalten der Ofen - verbrannt
wurden. Die Asche wurde gesammelt, in Urnen abgefüllt, die, soweit sie von Angehörigen
verlangt wurden, aus Tarnungsgründen über die Postämter Stuttgart, Ulm, Limburg, Frankfurt
oder andere Orte versandt wurden. Ebenfalls aus Tarnungsgründen wurden die Sterbedaten
und -orte von einer eigens hierfür eingerichteten »Absteckabteilung« geändert. Es sollte
vermieden werden, daß sich die Todesnachrichten in den einzelnen Orten der Region häuften96.

Die Tarnung des Verbrechens ist ihnen in Hohenzollern nicht recht geglückt. So »stirbt«
nach den gefälschten amtlichen Mitteilungen ein Patient mit dem letzten Wohnort Sigmaringen
am 18.12. in Grafeneck, einer am 29.12. und zwei am 30.12.1940 in Bernburg. Zwei der
Patienten mit letztem Wohnsitz in Hechingen »sterben« am 17.12., drei am 18.12.1940 in
Grafeneck, was zumindest in Hechingen eine auffällige Häufung von Todesnachrichten
hervorrief. In Burladingen leistete die »Absteckabteilung« »gute Arbeit«: Ein Patient von dort
soll am 29.12.1940 in Bernburg, einer am 6.1.1941 und einer am 7.1.1941 in Hartheim, einer
am gleichen Tag in Sonnenstein »gestorben« sein. Der jüngste getötete Patient war übrigens
gerade 26, der älteste 83 Jahre alt97.

Tabelle 6: Herkunftsorte, Geburtsdaten und von der »Absteckabteilung*

festgelegte Sterbedaten und -orte der am 12.12.1940 und 14.3.1941 abgeholten Patienten

(soweit diese Nachrichten beim Landeskommunalverband eingegangen sind):

Letzter Wohnort

Geburtsjahr

angebliches

angeblicher

12.12.194098



Sterbedatum

Sterbeort

Bedburg (Niederrhein)

1869

18.12.1940

Grafeneck

Beuron

1864

17.12.1940

Grafeneck

Bisingen

1870

18.12.1940

Grafeneck

Bregenz (Österreich)

1914

17.12.1940

Grafeneck

94 Aussage des Hauptangeklagten im Grafeneck-Prozeß Dr. Eugen Stähle. Zitiert nach Morlok (wie
Anm.83) S. 50-51.

95 Dr. Eugen Stähle. Zitiert nach Ernst Klee: Was sie taten - Was sie wurden. Frankfurt 1986. S. 85.

96 Morlok (wie Anm. 83) S. 64.

97 Grafeneck-Sigmaringen. Liste der am 12.12.1940 abgeholten Patienten nebst Nachrichten über den
vermeintlichen Verbleib und den fingierten Todestag und -ort.

98 Ebd.

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