Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0312
Franz-Severin Gässler

5.2. Architekturgeschichtliche Einordnung

Die fürstlichen und die staatlichen Gebäude, die im Dezenium zwischen 1839 und 1849
errichtet worden waren, lassen sich sowohl ihrer architektonischen Gestalt als auch der Zeit
nach in zwei Gruppen einteilen135. Das Ensemble aus Hofkammer-, Regierungs- und Oberamtsgebäude
, das nach den Plänen von Burnitz errichtet worden war, und Bröms Neuer
Prinzenbau bilden die erste Gruppe und fallen in das erste Drittel dieser Zeit. Rentamt und
Ständehaus, von den in München ausgebildeten J. und W. Laur geplant, ergeben die zweite
Gruppe.

Kann die erste Gruppe noch eindeutig dem romantischen Klassizismus zugeordnet
werden136 - die Schlagworte Rundbogenstil, Neoromanik und Neogotik mögen Orientierungshilfen
sein - sind in der zweiten Gruppe die Gebäude zusammengefaßt, die die
klassischen Ideale und Formen wieder aufgreifen und schöpferisch verarbeiten.

Hofkammer-, Regierungs- und Oberamtsgebäude zeigen dieselben Gestaltungsmerkmale:
einfache kubische Gebäudeblöcke, mittels Gesims zweigeteilte, dreigeschossige Fassade mit
Bandrustika im Parterre und Lisenengliederung über die beiden oberen Stockwerke hinweg,
Rundbogenfries, Betonung der Gebäudekanten und der Hauptachsen, Zwillingsfenster und
-türen.

Auf den ersten Blick erinnert die Fassade des Regierungsgebäudes an die Wandgliederung
von Friedrich Rumpfs Heilig-Geist-Hospital (1833-39) in Frankfurt a. M.137: Sockel, Sockelgeschoß
, breites Gesimsband, und darauf stehend die geschoßübergreifenden Lisenen. Die der
Sigmaringer sind jedoch keine dekorativen Elemente, die der Wand aufgelegt sind, sondern
Restflächen der äußeren Wandschicht. In gleicher Weise ist die Wand der Erdgeschoßzone bei
Hofkammer- und Oberamtsgebäude geschichtet (Abb. 13). Wandschichtung als Gliederungsfaktor
klingt in Friedrich von Gärtners Georgianum (1835-41) in München an138 und in
ausgeprägter Form zeigten dieses Phänomen die Schulhäuser J. C. von Lassaulx im Rheinland
(um 1830)139. Die Wand ist nicht mehr Fläche sondern plastisches Gebilde. Die Wandschichtung
, geläufiges Gliederungsmotiv im romanischen Kirchenbau, setzte Burnitz variationsreich
ein, wie dies Frankfurter Bauten von ihm zeigen140. Der Vergleich zwischen Hofkammer-

135 Um den Rahmen nicht zu sprengen, kann nur auf die Fassadengestalt und ihre wesentlichen
Elemente eingegangen werden. Es sei angemerkt, daß die Fassaden der Bürgerhäuser vereinzelt Architekturgliederungen
aufwiesen - die Gebäude der Hofkammerräte Horn und Buk etwa, oder die Villa Dopfer
an der heutigen Josephinenstraße ebenso wie das Wohnhaus des Bürgermeisters Gastel am Carlsplatz. Im
allgemeinen zeigen die bürgerlichen Gebäude aus dieser Zeit gleichmäßige Anordnung der Fensterachsen.

136 Zum Begriff »romantischer« Klassizismus vgl. Oswald Hederer: Klassizismus. München 1976.
S.46f.

137 Zu Friedrich Rumpf (1795-1867) vgl. Günther Vogt: Frankfurter Bürgerhäuser des neunzehnten
Jahrhunderts. Ein Stadtbild des Klassizismus. Frankfurt o.J., S. 72 und 86.

138 Zu Friedrich von Gärtner (1792-1847) und dessen Georgianum vgl. Oswald Hederer: Friedrich
von Gärtner 1792-1847. Leben, Werk, Schüler (Studien zur Kunst des neunzehnten Jahrhunderts 30).
München 1976. S. 138 und Abb. 90, S. 143; bei Schinkels Entwurf für ein Bibliotheksgebäude (1835)
gliedern vertikale Wandvorlagen als äußere Wandschicht über drei Geschosse hinweg die Wand vgl.
hierzu Dieter Dolgner: Die Architektur des Klassizismus in Deutschland. Dresden 1971. S. 67f.

139 Zu J.C. von Lassaulx vgl. Horst Schmittges: Schulbauten. In: Kunst des 19.Jahrhundens im
Rheinland in fünf Bänden. Hg. von Eduard Trier und Willy Weyres. Bd. 2: Architektur II. Düsseldorf
1980. S. 126ff. An dieser Stelle sei angemerkt, daß Burnitz 1830 durch das Rheinland reiste; vgl. hierzu die
Kurzbiographie im Anhang. Ob er sich mit den Bauten Lassaulx auseinandersetzte und ob er die
rheinische Romanik eingehend studierte, kann nur vermutet werden.

140 Der Saalhofanbau von 1842 ist in seiner Grobgliederung dem Sigmaringer Regierungsgebäude
ähnlich, das Manskopfsche Gebäude am Untermainkai (etwa 1840) demonstriert das Thema Wandschichtung
in abgeänderter Art; vgl. hierzu die Abb. 249 bei Vogt (wie Anm. 137).

310


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0312