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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1994-95/0314
Franz-Severin Gässler

horizontalen und vertikalen Elemente, zweitens durch die Aufgliederung der Wand in
einzelne Schichten, und drittens mittels der geschoßübergreifenden Überlagerung einzelner
Elemente. Trennende Elemente, die den einzelnen Geschossen Individualität verleihen, sind
die Wandtextur und die formale Ausbildung der Fenster. Verbindende Funktion besitzen die
gequaderten Lisenen und die vorgeblendeten Wandschichten, wie dies die Entwurfszeichnung
zeigt (Abb. 14). Während die ersteren die beiden unteren Geschosse gliedern, ist die Wandschichtung
dem zweiten und dem dritten Stock vorbehalten. Das zweite Geschoß bildet also
gewissermaßen die Ubergangszone. Hier findet die Uberlagerung der beiden Gliederungselemente
statt. Die Verspannung über die Geschosse hinweg demonstrieren ebenfalls die Fenster
bzw. Eingangselemente, welche die Mittelachsen der Seitenfassaden betonen und ebenso
diejenigen, die bei der Platzfassade das Gebäudeende im Sinne eines Risalits hervorheben.

Erinnert die vorgeblendete Wandschicht - im Entwurf für die Platzfassade geschoßweise
vorgesehen - an die Wandblenden Friedrich von Gärtners Salinendirektion (1828-43) in
München146, so findet man das vertikale Zusammenziehen von Fenstern etwa beim Haus
Seebach in Dresden (1839) von Hermann Nicolai, orts- und zeitgleich ebenfalls an der Villa
Rosa von Gottfried Semper und wenig später auch bei F. A. Stülers Fassade des Hauses
Leipziger Straße 111 in Berlin (1843)147. Wie bei Stülers Fassade sind beim Ständehaus die
vertikal gerichteten Elemente, die die Geschosse miteinander verspannen, aus Pilaster und
Gebälk aufgebaut.

Der Rückgriff auf das klassische Formenrepertoire ist augenscheinlich. Doch sind mit der
horizontalen und vertikalen Verspannung der Fassade und mit der Überlagerung der Schichten
, letztere zu jener Zeit ein Novum, die strukturellen Gesetzmäßigkeiten klassizistischer
Architektur überwunden worden.

Die staatlichen und fürstlichen Gebäude spiegeln einerseits die aktuellen Architekturmoden
und den Stilpluralismus der damaligen Epoche wider, andererseits zeigen sie deren
schnellen Wechsel. Mag es auch Orientierungen und Vorlieben für bestimmte Strömungen
gegeben haben, so zeigen die Fassaden durchweg, daß die Architekten sowohl mit der
Struktur als auch mit dem Formenrepertoire schöpferisch und mit der Bauaufgabe angemessen
umgingen.

6. SCHLUSSBEMERKUNG

Planerische und bauliche Maßnahmen, die über das Zweckmäßige hinausgingen, wie die
rasterförmige Erweiterung, aber vielmehr noch die Abweichung vom 1836 geschaffenen
Stadtbauplan, markieren die Abkehr von der rein funktionalen Stadt.

Die neu geschaffenen städtebaulichen Dominanten, nämlich die Carlsstraße mit dem
symmetrisch gestalteten Schwerpunkt um das Regierungsgebäude und der regelmäßig konstruierte
Carlsplatz als hauptstädtisches Zentrum brachten auch im Aufriß den Status der
Landeshauptstadt zum Ausdruck. Gerade die staatlichen und die fürstlichen Gebäude kündigten
bereits von weitem von der neuen Zeit. Sie waren mit Flachdächern oder flach geneigten
Dächern ausgestattet worden. Selbst am Schloß mußte das Steildach über dem Kavalierbau
dem Dorn'schen Dach weichen. Mit der allzeit sichtbaren, steingewordenen Präsenz von
Ständeversammlung, Verwaltung, die nun örtlich vom Schloß getrennt war, Krankenfürsorge,
staatlichem Kreditwesen, gymnasialer Bildungseinrichtung und Militär, war die Stadt zum
Monument der modernen Residenz geworden.

146 Zur Salinendirektion vgl. Hederer (wie Anm. 138) S. 176f.

147 Zu den Gebäuden von Nicolai und Semper vgl. Kurt Milde: Neorenaissance in der deutschen
Architektur des 19.Jahrhunderts. Grundlagen, Wesen und Gültigkeit. Dresden 1981. S. 166ff.; zu Stülers
Gebäude vgl. Eva Borsch: Berliner Baukunst nach Schinkel 1840-1870 (Studien zur Kunst des W.Jahrhunderts
25). München 1977. Abb. 50.

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