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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0060
St. Fidelis

ein kaltes, geistloses Herz, so gibt es einen kalten Reif aller Eitelkeit und Trägheit. Ist
derohalben höchlich von Nöten, daß der Mensch sich zuvor wohl bereitet, wann er will, daß
das Wort Gottes in eine gute Erde falle, wann er will, daß das Predigen einen Nutzen schaffe.
Ist deswegen erstlich zu wissen, daß die Nutzbarkeit, welche aus den Predigten kann und soll
gefasset werden, kann fürnehmlich in drei Kapitel gezogen werden. Erstlich, daß einer daraus
lerne, wie er die Sünden verlassen und seine bösen Sitten verbessern solle. Fürs andere, wie er
sein Herz und Gemüt im Guten bestätigen wolle und allezeit in dem Geistlichen und Gott
Wohlgefälligen mehr zunehmen. Zum dritten und letzten, damit er größere Erkenntnis
bekomme in göttlichen Sachen.

Derohalben, welcher nun die heilige Predigt hören will, der kann sich diese drei Punkte
oder einen daraus vorsetzen und zuvor bei sich selbst gedenken, wie viel an demselben gelegen
sei, deshalb ihm steif vornehmen, daß er nicht wolle von der geistlichen Mahlzeit, von der
heiligen Predigt gehen, daß er nicht gespeiset und gesättiget sei mit einer aus diesen drei
Speisen, diesen drei Punkten, deshalb folge hierin dem Rate des heiligen Chrysostomus
(homilia 6 ad populum Antiochiae) Sicut quipratum transiit, florem accipit, et qui in hortum se
confert, fructum colligit, et qui a conviviis surgit, reliquias filiolis suis affert; sie ex concione
aliquid tecum domum tuis reporta [= Wie derjenige, welcher über die Wiesen geht, eine Blume
pflückt, und wer sich in den Garten begibt, eine Frucht abbricht, und wer vom Gastmahle
aufsteht, Überbleibsel seinen Kindern mit nach Hause bringt, so bringe aus der Predigt den
Deinen etwas mit nach Hausejl

Zum andern. Nachdem einer ihm eines aus obgesagten Punkten und Enden vorgesetzt,
warum er wolle die Predigt hören, so soll einer sich eine Weile versammeln und anhebend
gedenken, wie daß er in die Welt geboren sei und darin beim Leben erhalten werde, damit er
letztlich die Seligkeit erlangen und dem höllischen Feuer entfliehen möge. Deshalb soll er in
ihm eine Begierde erwecken, sein Leben zu bessern, die Laster, in welche er vielleicht fällt,
fleißig vermeiden und der christlichen Vollkommenheit eifriger nachsetzen und deshalb mit
gutem Herzen Gott um Hilfe anrufen, daß er möge die Predigt mit Fleiß anhören und daraus
erlernen, wie er diesen seinen Vorsatz möge ins Werk setzen, denn ohne die Gnade Gottes
hilft alles nichts, inmaßen bezeugt der heilige Gregorius homilia 30 in Evangelio Nisi Spiritus
sanetus cordi adsit audientis, otiosus est sermo doctoris [= Wenn der heilige Geist nicht im
Herzen des Zuhörers wohnt, ist des Lehrers Rede unnütze].

Da keiner soll dem Prediger zugeben [= als Verdienst anrechnen], was er aus seinem
Munde verstanden hat; denn was nicht innerlich ist und uns lehrt, so arbeitet äußerlich
umsonst und vergebens die Zunge des Predigers, deshalb soll sich ein jeder, wenn er in die
Kirche kommt, andächtig und ehrerbietig halten und gedenken, daß er sei in dem Haus
Gottes, welches nicht ein Scherzhaus, ein Spazierhaus, nicht ein Schlafhaus, sondern ein
Bethaus ist, und betrachten, daß er dasteht vor Christo dem Herrn, welcher auf dem heiligen
Altar, im Tabernakel, in dem heiligen Sakrament wahrhaft und wesentlich ist, daß er dasteht
mit allen heiligen Engeln vor dem Angesichte Gottes; soll gedenken, daß das sanftmütige
Lamm, Christus Jesus, niemals sei mit solchem Eifer angebrannt gewesen, als da er gesehen,
daß sein heiliger Tempel geschändet und entehrt würde, daß man aus seinem Haus, das ein
Bethaus ist, wollte ein Kaufhaus und eine Mördergrube machen; deshalben solche Käufer und
Verkäufer mit einer Geißel hinausgeschlagen worden. Darum soll in der heiligen Kirche ein
jeder sich fleißig enthalten von allem Geschwätz, von allem Lachen, von üppigem Hin- und
Hergaffen, und seine Meinung soll dahin gerichtet sein, daß er allda wolle inbrünstig beten
und der Predigt mit Fleiß aufmerken, damit das heilige Wort, als der Same unserer Seligkeit,
nicht falle auf den Weg (d. i. in ein unvorbereitetes, umherschweifendes Herz) und von den
höllischen Vögeln aufgefressen werde, auch nicht auf den Felsen oder unter die Dornen,
sondern daß es falle in eine gute Erde und es Frucht bringen möge. Und desto mehr, weil es
eine so große Gefahr ist, das heilige Wort Gottes, unseres Herrn, umsonst anhören und nicht
Früchte daraus schaffen, daß es nicht kann erzählt werden. Das gewißliche und kundbarliche

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