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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0323
Besprechungen

Franco Cardini: Friedrich I. Barbarossa. Kaiser des Abendlandes (Originaltitel der italienischen
Erstausgabe von 1985: Ii Barbarossa. Vita, trionfo e illusioni di Federico Primo imperatore, übers,
v. Sigrid Späth). Graz-Wien-Köln: Verlag Styria 1990. 291 S., SW-Abb., Karten, Stammtafeln.

Neben Friedrich IL, »Stupor Mundi« und Gebannter, der 35 Jahre lang deutscher König und
später Kaiser war, hat kein Herrscher aus staufischem Geschlecht so lange regiert und gleichzeitig
Historiker und Schriftsteller inspiriert wie Friedrich I. Legenden umwoben aufgrund eines Lebens,
das man besonders in einer sensationslüsternen Zeit nur als »bunt und aufregend« bezeichnen kann,
ist der Kaiser bisher häufig Gegenstand biographischer Versuche und Monographien gewesen, von
denen allerdings nur wenige wissenschaftlichen Ansprüchen Genüge tun. Letzteres leisten z.B. die
profunden Arbeiten von Barraclough, Cartellieri und Pacaut sowie das wesentlich ältere opus
magnum von Raumer im Rahmen seiner »Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit«, die ihren
Wert bis heute nicht verloren hat.

Zahllose andere Werke sind nicht mehr als reproduzierende Materialsammlungen ohne eigene
Analyse und Einordnung. Daher ist es doppelt bedauerlich, daß auch der Beitrag von Franco Cardini
, eines italienischen Historikers, zur Barbarossa-Biographie in letztere Kategorie gezählt werden
muß. Denn vor dem Hintergrund der weitverzweigten italienischen Politik Friedrichs wäre es zweifellos
sehr reizvoll gewesen, diese aus der Perspektive eines Italieners analysiert zu sehen.

Umschlagtexte sind manchmal entlarvend, und diejenigen von Publikationen aus dem Styria-
Verlag sind es in den letzten Jahren (dankenswerterweise) in ganz besonderem Maße. Da wird schon
von seinem »Märtyrertod« während des Kreuzzuges geredet, die Frage aufgeworfen, ob er nicht den
Plan gehegt habe, Sizilien zu annektieren, Byzanz zu erobern und »sein« Reich bis ins Heilige Land
auszudehnen (!!), von der »Einsamkeit der Macht« wird geredet und davon, daß man von unseren
Zeitgenossen auch nicht viel mehr wisse als von den Menschen des 12. Jahrhunderts. Solch krude
Pseudo-Philosophie läßt schon immer das Schlimmste befürchten. Wenn dann noch in der Verlagswerbung
darauf hingewiesen wird, daß es dem Verfasser gelungen sei, »Kaiser Barbarossas Geschichte
und die seiner Zeit wissenschaftlich fundiert und dennoch spannend lesbar« geschrieben zu
haben, ist das Desaster meistens zwangsläufig.

Im vorliegenden Band tritt das Befürchtete voll ein. Cardini huldigt extensiv der Ereignisgeschichte
und läßt den Leser in einem Stil, der fürwahr »gut« lesbar, weil ohne jeden Anspruch ist, auf
den Spuren Friedrichs im Herzogtum Schwaben, im Königreich Burgund, in Oberitalien auf den
Romzügen und zuletzt auf dem Kreuzzug folgen, spricht die Konflikte mit dem Papsttum und vor
allem mit Heinrich dem Löwen an, ohne letztlich überzeugend herausarbeiten zu können, warum
diese Konflikte denn nun tatsächlich existieren und es im Falle Heinrichs des Löwen zu einer derartigen
Eskalation kam. Nur wenige Hinweise auf Grundeinstellungen und Motive der sogenannten
»handelnden« Personen bietet Cardini, der die Figuren mehr oder minder grundlos dorthin laufen
läßt, wo sie ihr Itinerar festschrieb, ohne meist auch nur zu versuchen, den Zusammenhang herzustellen
. Auch von der Atmosphäre des 12. Jahrhunderts, von der Welt des hohen Mittelalters erfährt
der Leser wenig. Dem Autor genügt es, daß der Kaiser Kind seiner Zeit war, und diese Zeit in einigen
Streiflichtern in etwas diffusem Licht zu zeigen. Was etwa der Reliquienkult damals wirklich bedeutete
, bleibt in diesem Buch völlig unklar. Warum zog Friedrich, immerhin schon fast siebzig Jahre
alt, in den Kreuzzug? Wie war sein Verhältnis zum Kaiser in Byzanz? Viele Fragen ließen sich
stellen, die hier unbefriedigend oder gar nicht beantwortet werden, obwohl diese Punkte im Koordinatensystem
der Herrschaft Friedrichs, aber auch zu seiner Beurteilung von großer Bedeutung
sind. Und Friedrichs Sohn und Nachfolger, Kaiser Heinrich VI., wird nach wie vor im alten und
falschen Licht als aggressiver »Gernegroß« gezeichnet, über den der Autor nur den Kopf schütteln
kann. Was die »wissenschaftliche Fundierung« anbelangt, muß man dem Autor konzedieren, daß er
viel Sekundärliteratur kennt, aber Quellenstudium offenbar nicht zu seinen bevorzugten Arbeitsgebieten
zählt.

Cardini beschränkt sich auf einen knappen Anmerkungsteil, der freilich zur Dokumentation des
von ihm Dargelegten wenig hergibt. Das Beste an dem Buch ist die kommentierte Literaturübersicht
, die allerdings manch' schiefe Bewertung enthält. Der Text selbst schließt mit den grandios
nichtssagenden Worten: »Ganz und gar ein Mensch seines Jahrhunderts, ein Gestalter seines Jahrhunderts
gewesen und daher mit ihm vergangen zu sein - das ist die Rolle Friedrich Barbarossas, das
ist seine Stellung gegenüber der Geschichte.«

Wer bei einer Herrscherpersönlichkeit wie Friedrich I. zu einem solchen Fazit gelangt, wer ein
solches Buch schreibt, tut sich und den Lesern keinen Gefallen. Auch der Verlag sollte seine Verant-

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