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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1996/0331
Besprechungen

In diesem Zusammenhang steht die Arbeit von Karl Wegen, der einen einzelnen (vielleicht auch
etwas abgelegenen) Gesichtspunkt der neuzeitlichen Volkskultur herausgreift, nämlich die Einstellung
zu den Tätern von Schwerverbrechen, und das im sozialen Kontext des schwäbischen Dorfes.
Als Quelle hierfür benützt Vf. die rund 300 Fälle aus dem 18. Jahrhundert, die im Hauptstaatsarchiv
Stuttgart unter den Kriminalakten des herzoglichen Oberrats vorhanden sind.

Die Zahl der Fälle mag nach Auffassung des Vf. vielleicht nicht unbedingt ausreichen, um verallgemeinernde
Schlüsse zu ziehen, andererseits jedoch geben diese Akten ein so detailliertes Bild über
Täter und Tatumstände, wie es anderweitig wohl kaum zu gewinnen ist. Bevor Vf. auf seinen eigentlichen
Gegenstand zu sprechen kommt, handelt er die schwäbische Volkskultur des 18. Jahrhunderts
wie auch die württembergische Strafpraxis ebendieser Zeit ab. Er tut dies in derart großer Ausführlichkeit
und Breite, daß damit bereits nahezu die Hälfte des Buches in Anspruch genommen ist.
Wer also über besagte beide Themen kompakte und doch ausführliche Informationen sucht, der
wird diesen Band durchaus mit Gewinn zur Hand nehmen. Andererseits liefert Vf. hiermit für sein
eigentliches Thema lediglich die Präliminarien - das heißt, er hätte sich im Hinblick auf seinen Forschungsgegenstand
ohne Not auch kürzer fassen können. Auf Seite 121 kommt er dann endlich zur
Sache: In drei Kapiteln handelt er einzelne Kriminalfälle aus den Stuttgarter Akten ab, wobei er, den
dortigen Schwerpunkten folgend, die Tateinheiten Mord, Kindsmord und Sodomie herausgreift.
Was Vf. in diesen drei Kapiteln bietet, ist streckenweise keine leichte Kost, denn er neigt dazu, auch
die allerscheußlichsten Scheußlichkeiten mit allen Details vor dem Leser auszubreiten.

Als Ergebnis seiner Untersuchung stellt Vf. fest, daß die in seinem Text genannten Delinquenten
auch ohne Einwirken von Staat und Kirche bei der ländlichen Bevölkerung keinerlei Verständnis
oder Nachsicht gefunden hätten. Diese Erkenntnis führt Vf. auf den Umstand zurück, daß ein
Großteil der abgehandelten Fälle von Familienangehörigen, Nachbarn und Arbeitskollegen angezeigt
wurde. Es ist indessen durchaus denkbar, daß möglicherweise eine wesentlich größere Zahl
von Verbrechen (vor allem Kindsmord und Sodomie) erst gar nicht aktenkundig werden konnte,
weil die Mitwissenden darüber Schweigen bewahrten. Auf diesen Gedanken scheint Vf. jedoch
nicht gekommen zu sein. Wenn der Vf. manche Ortsnamen in der Quellenschreibweise stehen läßt
(z. B. Aydtlingen für Aidlingen, S. 59, oder Unterwyssbach für Unterweisbach, S. 70) oder grundlegende
Standardwerke nicht kennt (z. B. Fischers Schwäbisches Wörterbuch oder Reyschers Sammlung
der württembergischen Gesetze), so rundet dies den wenig positiven Gesamteindruck ab.

Albstadt/Tübingen Peter Thaddäus Lang

Hans Rall: Wilhelm II. Eine Biographie. Graz-Wien-Köln: Styria 1995. 451 S.

Kaiser Wilhelm II., der dreißig Jahre als König von Preußen und Kaiser des kleindeutschen Hohen-
zollernreiches regierte, war bisher schon oft Gegenstand biographischer Arbeiten, die aber nur
selten aus deutscher Feder stammten. Vor allem Engländer und Amerikaner erforschten Leben und
Politik des letzten deutschen Kaisers, dessen Herrschaft im Elend, in Schimpf und Schande (»hang
the Kaiser!«) endete und für Deutschland schon den Keim für neues und noch größeres Unheil in
sich barg. Es sei hier nur an die Arbeiten von Virginia Cowles, Michael Balfour, Daniel J. Chamier
und an der erst vor einem Jahr erschienenen ersten Band der auf drei Bände angelegten monumentalen
Biographie von John C. G. Röhl erinnert, der sich zuvor schon in zahlreichen Einzelstudien mit
der Zeit und der Herrschaft, aber eben auch mit der Person Kaiser Wilhelms II. beschäftigt hatte.

Das neue Buch von Hans Rall wird vom Verlag als »die derzeit einzige wissenschaftliche Biographie
eines deutschen Historikers in einem Band« über Wilhelm II. vorgestellt, und bis zu einem gewissen
Grad stimmt das auch. Rall, Jahrgang 1912, pensionierter Archivdirektor und Professor für
Mittlere, Neuere und Bayerische Geschichte, der bei Styria schon »Die Wittelsbacher in Lebensbildern
« publizieren konnte, sei als junger Mann zweimal von Wilhelm eingeladen worden, heißt es im
Klappentext. Wilhelms »schwieriges Schicksal« haben schon mit der Geburt begonnen, und Rall
verkündet in seinem Vorwort vollmundig, es sei »manches Subjektive, Kritische und Unkritische«
über den Kaiser geschrieben worden; er mache nun den Versuch, die »erweisbare Wahrheit in systematischem
Zusammenhang zu erfassen.« Erweisbare Wahrheit, als Objektivität im Kontrast zu den
zu kritischen und subjektiven Studien der bisher die Lehre bestimmenden anglo-amerikanischen Literatur
- dies soll der »Sinn« des Buches sein.

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