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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0022
Edwin Ernst Weber

dem kumulativen Effekt von Krieg, Hunger, Seuche und Flucht in Deutschland insgesamt etwa
40 Prozent der Land- und 33 Prozent der Stadtbevölkerung zum Opfer gefallen sind17.
Wie sich gerade auch am Beispiel der Landschaft an der oberen Donau zeigt, kann selbst auf
kleinem Raum der Grad der Betroffenheit erheblich schwanken. Das abseits größerer Durchgangsstraßen
gelegene Heuberg-Dorf Kreenheinstetten beispielsweise hat nur zwei Jahre nach
Kriegsende den Vorkriegsstand an Osterkommunikanten bereits zu 74 Prozent wieder erreicht
und 1671 sodann schon deutlich übertroffen18. In der zu Veringen und Bingen benachbarten
fürstenbergischen Herrschaft Jungnau ist demgegenüber der Vorkriegsstand an Haushaltungen
erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts wieder erreicht, wobei hier von den Bevölkerungsverlusten
und Gebäude-Zerstörungen die größeren Orte, namentlich Inneringen und
das Dorf Jungnau, generell stärker betroffen sind als die kleineren Weiler.19 Die Pfarrei Bingen
schließlich weist 1665, als die Rückwanderung der Kriegsflüchtlinge längst abgeschlossen und
der Zustrom von Zuwanderern schon in vollem Gange war, bereits wieder 68,26 Prozent der
586 Osterkommunikanten des Jahres 1634 auf. Nachdem die nächstfolgende Kommunikantenzählung
erst wieder aus dem Jahr 1706 vorliegt und einen Stand von 700 Pfarreiangehörigen
und 50 Fremden ermittelt, ist davon auszugehen, daß hier der Vorkriegsstand spätestens
im ausgehenden 17. Jahrhundert wieder erreicht worden ist20.

Neben Unheil, Tod und Zerstörung löst der Dreißigjährige Krieg eine der wohl umfangreichsten
Migrationsbewegungen in der Geschichte Mitteleuropas vor dem 20. Jahrhundert
aus. Im Migrationsgeschehen lassen sich dabei mindestens drei, einander überlagernde Schichten
unterscheiden. Am Anfang steht seit 1632 der gewaltsame, schockartige Einbruch
zunächst der schwedisch-protestantischen und sodann der kaiserlich-katholischen Kriegsheere
in den dörflichen und kleinstädtischen Mikrokosmos. Wie dies allenthalben in den Kriegen
der Frühen Neuzeit zu beobachten ist, führen die mit den Kriegszügen verbundenen Einquartierungen
fremder Soldaten in den Häusern der örtlichen Bevölkerung neben Reibereien und
Konflikten stets auch zu Beziehungen mit einheimischen Frauen, die in nicht wenigen Fällen
in Eheschließungen einmünden. In den aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges überkommenen
Binger Kirchenbüchern sowie den Amtsprotokollen der hohenzollerischen Grafschaften
Sigmaringen und Veringen lassen sich Dutzende solcher Soldatenehen zwischen einheimischen
Frauen und auswärtigen Soldaten ermitteln, wobei nicht ganz selten ungewollte
Schwangerschaften die kirchliche Legitimierung des Verhältnisses befördern. In Bingen beispielsweise
vermählt sich am 2. März 1634 die einheimische Anna Gunz mit dem aus Schwabach
in der Markgrafschaft Ansbach stammenden und im schwedischen Regiment des Obri-
sten Gun (Horn?) dienenden Korporal Leonard Mayr, als Trauzeugen fungieren drei weitere
Soldaten aus dem Truppenverband des Bräutigams21. Daß solche Soldaten-Liaisonen von
Dorfbevölkerung wie Obrigkeit durchaus nicht immer gern gesehen wurden, zeigt ein Vorfall
aus der Zeit des Holländischen Krieges, als 1676 vier junge, unverheiratete Frauen aus dem
hohenzollerischen Untertanendorf Thalheim angeklagt werden, sich leichtfertiger weise an
dort einquartierte Soldaten gehenckht, mit denselben Mahlzeiten und Gastereien angestellt

schnittlichen Bevölkerungsrückgang von 57 Prozent gegenüber 1634, wobei die Einzelwerte allerdings
zwischen 31 und 77 Prozent schwanken.

17 Franz (wie Anm. 2), S. 59.

18 Edwin Ernst Weber: Von Herren, Pfarrern und Bauern. Das Dorf Kreenheinstetten im 17. und 18.
Jahrhundert. In: Im Schatten eines Denkmals. Geschichte und Geschichten des Geburtsortes von Abraham
a Sancta Clara. Kreenheinstetten 793-1993. Hg. von der Gemeinde Leibertingen. Tuttlingen 1993,
S. 78-145, hier S. 142f.

19 Vgl. Thea Lahn: Studien zur Bevölkerungsgeschichte der Herrschaft Jungnau in fürstenbergischer
Zeit. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte Bd. 13 (1977), S. 9-78, hier S. 73.

20 Binger Kirchenbücher 1625-1635 (wie Anm. 3) und 1636-1700 (wie Anm. 6), Kommunikantenlisten.

21 Binger Kirchenbuch 1625-1635 (wie Anm. 3), Ehebuch, Eintrag v. 2. 3. 1634.

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