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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0036
Walter Knittel

striellen Aufschwungs, sondern auch bezüglich des Anteils einer »ausländischen Reservearmee
« auf dem Arbeitsmarkt9. Ausländische Wanderarbeiter trugen somit in hohem Maße zum
raschen wirtschaftlichen Aufschwung während der Hochindustrialisierungsphase des Kaiserreichs
in Deutschland bei.

Erst in den letzten Jahren beschäftigten sich einzelne Arbeiten mit Frage der italienischen
Arbeitsimmigration nach Deutschland. Neuerdings ist hier in erster Linie Rene Del Fabbro zu
nennen, der erfreulicher Weise eine bipolare Migrationsgeschichte der italienischen Arbeitswanderung
in die süddeutschen Länder des deutschen Kaiserreiches vorlegte und die Ausgangsbedingungen
und Voraussetzungen der (nordost-)italienischen Auswanderung dieser
Zeit ebenso untersuchte wie die grundsätzlichen Verhältnisse der Arbeitsimmigranten im
deutschen Süden10.

Dabei konnte er sich auch auf einzelne zeitgenössische Untersuchungen aus der Zeit um
1915 stützen, die für bestimmte Teilaspekte immer noch grundlegend sind und bleiben werden
". Dies hängt natürlich nicht zuletzt mit der sehr dürftigen Quellenlage zusammen12. Hier
können, wenn überhaupt, nur spezifische lokale und regionale Forschungen die Datenbasis
verbreitern. Bis dahin dürfte man es bei der Darstellung der Situation der Wanderarbeiter in
weiten Teilen immer noch mit vielen Stereotypen und Topoi zu tun haben.

Die meisten Italiener etwa waren und blieben vor dem Ersten Weltkrieg Wanderarbeiter,
die zu Beginn der Saison kamen und im Winter wieder in ihr Heimatland zurückkehrten. Somit
verblieben die Mehrzahl von ihnen, zumindest in unserer Region, nur für relativ kurze
Zeit - eben etwa für die Dauer eines Bauprojekts - an einem Ort. Nur vereinzelt und sporadisch
läßt sich deshalb etwa die Präsenz der italienischen Bauarbeiter in einzelnen Orten
nachträglich aus den Akten erkennen: vorwiegend in den Rubriken Ordnungs- und Gesundheitspolizei
, vor allem in den Fremdenbüchern der Gemeinden, den Unfallakten oder eben in
den Leichenschauregistern, in den Berichten der Gewerbeaufsichtsbeamten oder bei größeren
Zwischenfällen in den Zeitungen (zum Beispiel bei Händeln oder Unfällen).

Was die Erforschung der Wanderarbeiter speziell bei Bauprojekten zusätzlich erschwert,
ist die Tatsache, daß in Abhandlungen über Eisenbahnbau-, Wasserleitungsbau- oder Straßenbauprojekten
in der Regel meist die Planungen, die technischen Schwierigkeiten und Details
sehr ausführlich erläutert werden, die ja auch meist sehr gut belegt sind, und daß bei den Ein-
weihungs- und Eröffnungsfeierlichkeiten meist die - unzweifelbaren - Leistungen der politisch
Verantwortlichen, der Planer und Ingenieure im Vordergrund stehen, die Bauarbeiter

9 Von 1960 bis 1966 stieg der Anteil der Ausländer an der Gesamtzahl der beschäftigten Arbeitnehmer in
der Bundesrepublik von 1,3 auf 6% . Von 1895 bis in die Jahre vor dem Ersten Weltkrieg stieg der Ausländeranteil
an den Erwerbspersonen im Kaiserreich in ähnlicher Weise von 1,5 % (1895) auf um die 4 %. Vgl.
etwa Hermann Schäfer: Italienische »Gastarbeiter« im deutschen Kaiserreich 1890-1914. In: Zeitschrift
für Unternehmensgeschichte 27 (1982), S. 192-214., S. 192f.

10 Bes. Rene Del Fabbro: Transalpini. Italienische Arbeitswanderung nach Süddeutschland im Kaiserreich
1870-1918. Osnabrück 1996; Ders.: Wanderarbeiter oder Einwanderer? Die italienischen Arbeitsmigranten
in der Wilhelminischen Gesellschaft. In: Archiv für Sozialgeschichte 32 (1992), S. 207-229. Daneben
auch: Hermann Schäfer (wie Anm. 9) oder auch Hans-Martin Habicht: Probleme der italienischen
Fremdarbeiter im Kanton St.Gallen vor dem Ersten Weltkrieg. Diss. Zürich 1977.

11 Vor allem Ina Britschgi-Schimmer: Die wirtschaftliche und soziale Lage der italienischen Arbeiter in
Deutschland. Ein Beitrag zur ausländischen Arbeiterfrage. Diss. Karlsruhe 1916 und Stefano Graf Jaci-
ni: Die italienische Auswanderung nach Deutschland. In: Weltwirtschaftliches Archiv 5 (1915), S.
124-136. Ebenso Michels-Lindner (wie Anm. 1) und Ludwig (wie Anm. 2).

12 So ist die Situation der Ziegeleiarbeiter etwa recht gut dokumentiert, eben z.T. durch die zeitgenössischen
Untersuchungen. Dagegen kann die Lage der Erdarbeiterkolonnen bisher nur sehr allgemein beschrieben
werden, da etwa gerade darüber auch keine oder kaum Berichte der Gewerbeinspektion vorliegen
, da die Erdarbeiter nicht in festen Produktionseinrichtungen arbeiteten und somit nicht unter deren
Aufsichtspflicht fielen. Diesen Umstand bedauert etwa auch Del Fabbro, Transalpini (wie Anm. 10),
S. 139 Anm. 16.

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