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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1997/0041
»Da Capo!«

5. DIE ARBEITSBEDINGUNGEN

Als Beruf der Arbeiter auf den Baustellen wird in den amtlichen Akten häufig die Bezeichnung
Maurer angegeben. In Ortschaften an der Donau beim Bahnbau tauchen die Bezeichnungen
Eisenbahnarbeiter, Mineur, Erdarbeiter, Handlanger, Schlepper im Tunnel auf. Die
Berufszählung von 1907 weist zwei Drittel der ausländischen Bauarbeiter als ungelernte aus,
die vor allem auf den Großbaustellen meist einfachste, aber körperlich anstrengende Arbeiten
verrichteten: Sie wurden insbesondere zu der Bewegung von Erdmassen herangezogen, bemerkte
Friedrich Syrup in einer zeitgenössischen Untersuchung dazu, zum Graben und Ausheben
des gewachsenen Bodens, zum Verladen der Erdmassen in die Eisenbahn- oder Handwagen
, zum Entladen, Ausschütten, zum Einebnen, Gleisverlegen usw. Die Arbeiten müssen
durchweg im Freien ausgeübt werden, ohne Schutz gegen die Witterungseinflüsse. Auch sonst
sind die hygienischen Bedenken gegen diese Arbeiten so schwerwiegend, daß die Beschäftigung
von Frauen für einen großen Teil dieser Arbeiten seit wenigen Jahren gesetzlich verboten ist}0.
Del Fabbro betont, daß die Italiener in einigen Tätigkeiten derartige Fertigkeiten ausgebildet
(hatten), daß weder deutsche noch andere ausländische Arbeiter ihr Niveau erreichten. Die
Saison dauerte in der Regel von März bis September, fiel also in die Zeit, in der die Böden nicht
gefroren waren. Die Arbeitszeit variierte von Unternehmer zu Unternehmer und gemäß der
Jahreszeit... Normalerweise wurde im Sommer elf bis zwölf Stunden, zehn dagegen im März,
April, Oktober und November gearbeitet^.

Eine Besonderheit bildete die Tatsache, daß die Arbeiter meist unter Führung eines Vorarbeiters
, eines »Capos«, nach Deutschland kamen und von diesem, der oft auch für Kost und
Logis verantwortlich war, für die einzelnen Unternehmen angeworben wurden. Britschgi-
Schimmer hat dieses »Akkordantensystem« ausführlich für die bayerischen Ziegeleiarbeiter
beschrieben. Ihre Beschreibung der Verhältnisse, die durchaus mit der Situation auf manchen
Wanderbaustellen vergleichbar sein dürften, deckt sich weitgehend mit den Schilderungen der
Gewerbeaufsichtsbeamten.

Im Winter, meist Januar oder Februar, reist er (der Capo oder »Akkordant«) nach Deutschland
und sucht die Ziegeleien auf, die ihm bereits bekannt sind. Dort schließt er mit dem Ziegeleibesitzer
einen Vertrag, wonach er sich verpflichtet, zu einem pro Tausend Stück festgesetzten
Preis während der Kampagne eine bestimmte Anzahl Ziegeln zu liefern. Hierauf ordert er die
Unterkunftsverhältnisse für die Arbeiter, schließt Verträge ab über Lieferung von Maismehl
und Käse und reist dann in die Heimat zurück, um sich seine »Squadra« zusammenzustellen11.

Auch in dieser Region läßt sich in Fremdenbüchern nachweisen, daß die italienischen Wanderarbeiter
vielfach in Gruppen einreisten. Die Aldinger Fremdenliste weist beispielsweise am
28. 2. 1868 die Ankunft von neun Männern aus Appiano und sieben aus dem Nachbardorf Je-
negro aus, die zusammen reisten. Dabei waren die Anwerbung und Vermittlung ausländischer
Arbeitskräfte generell nicht organisatorisch geregelt bis zum Ausbau der preußischen Feldarbeiter
-Zentralstelle zu einer deutschen Arbeiterzentrale, der 1912 abgeschlossen war, in Italien
lange Zeit sogar verboten.

Del Fabbro kommt bei seinen Forschungen zu dem Ergebnis, daß die Erdarbeiter, die ihre
Bezahlung meist im Stundenlohn erhielten, ein leichteres Los als die ständig getriebenen Ziegler
(traf). Angeblich verrichteten sie ihre Tätigkeit normalerweise mit möglichst minimalem
Aufwand. Das war grundsätzlich deshalb möglich, weil die großen Arbeitergruppen nicht
ständig durch Vorgesetzte beaufsichtigt werden konnten ... Während der Anwesenheit des
Chefs oder eines Ingenieurs in geradezu fieberhafter Eile geschaufelt wurde, nahm die Tätig-

30 Zit. nach Ulrich Herbert: Geschichte der Ausländerbeschäftigung in Deutschland 1880 bis 1980.
Saisonarbeiter, Zwangsarbeiter, Gastarbeiter. Berlin u. Bonn 1986, S. 61 f.

31 Del Fabbro: Transalpini (wie Anm. 10), S. 157.

32 Britschgi-Schimmer (wie Anm. 11), S. 133.

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